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O-Män - fast fantastisch

O-Män - fast fantastisch

Titel: O-Män - fast fantastisch
Autoren: Residenz
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Türstock fängt, sieht er, dass der Hörer neben dem Telefon baumelnd nach unten hängt.
    Der Professor keckert und zischt: „Grüßßßßßß dichhhhhhhhhhhh, Bup!“
    Otto grüßt artig: „Guten Tag, Herr Professor!“ „Tsssssss!“, antwortet der Professor und ruckelt seltsam mit dem Kopf.
    Otto erbleicht. Da ist doch aus dem Hosenbein und dem Hemdkragen des Professors ganz kurz, nahezu unmerklich, etwas herausgeschlängelt. Etwas wie … Tentakel. Otto zwinkert und sieht noch einmal hin. Aber da ist nichts. Naja, dann hat er sich eben getäuscht.
    „Hrachtsssspfitzzzz!“, zischt der Professor. „Danke, Ondrusssschka!“ Er drückt dem verwirrten Otto einen Erdbeerlutscher in die Hand, dann schlägt er die Türe zu.

Ottos Heldentraum
    Jeder Wolf hat sein Revier, jede Fledermaus hat ihre Höhle, jeder Löwe hat sein privates Stück Savanne, und jeder Briefträger hat seinen Rayon. Ein Superheld „hat“ meistens eine Stadt. Batman hat Gotham-City, Superman Metropolis, und Spider-Man schwingt sich munter durch New York, die Stadt, die angeblich niemals schläft. Otto Odysseus Ondruschkas Hoheitsgebiet ist der Augarten in Wien, der Stadt, die schön langsam aufwacht, sowie die nicht ganz so imposanten Häuserschluchten, die den Augarten umgeben.
    Otto, der gesenkten Kopfes heimwärts trabt, seufzt. So oder ähnlich würde ein Comic über ihn beginnen, wenn er ein Superheld wäre, ganz bestimmt! So ein Superheld zu sein, das wäre was. Der würde den zwei Kampfdackeln ordentlich Benimm beibringen, bis sie für ihn wahlweise Purzelbäume schlagen, tot spielen oder Tango tanzen. Oder ganz einfach schweigen! Der Schüler Pfitzner, der hätte auch nichts mehr zu lachen. Und Cheyenne Blue, das angebetete Traumgirl, wäre natürlich unsterblich verliebt in Super-Otto!
    Leider sieht die Realität nicht halb so glamurös aus wie Ottos Tagträume. Otto wohnt mit seinen Eltern in der Unteren Augartenstraße. Sein Vater Elvis ist von Beruf Elvis-Presley-Imitator und tritt in Lokalen, bei Zeltfesten, Firmenfeiern und im Prater auf. Dafür zwängt er sich in aberwitzige, glitzernde Kostüme und bringt die berühmtesten Songs von Elvis Presley dar, dem allzu früh verstorbenen, aber immer noch weltweit verehrten King of Rock ’n Roll. Im Sommer schwingt Papa Ondruschka seine äußerst biegsamen Hüften jeden Donnerstagabend im Gastgarten des Praterlokals „Zum Blechernen“.
    Mama ist, wenn sie sich nicht grade am Möpplinger-Institut versklavt oder an ihrer Dissertation arbeitet, eine begeisterte Hobbyschneiderin. Das trifft sich ganz ausgezeichnet, da Papas Kostüme sehr eng geschnitten sind und leicht reißen, wenn er sich auf der Bühne bewegungsmäßig zu sehr ins Zeug legt. Otto bewundert seinen Vater sehr. Er findet es cool, wie Papa Elvis das Publikum in seinen Bann zieht. Das würde er auch gerne können.
    Otto besucht die zweite Klasse des Gymnasiums Zirkusgasse. Seine Mitschüler finden ihn „ein wenig gaga“. Nicht ganz so „gaga“ wie die gleichnamige Sängerin, aber fast. Er ist ein sehr guter Schüler, aber die Lehrerinnen und Lehrer fürchten seinen Hang zur Gerechtigkeit. „Otto der Mauloffene“ nennt ihn seine Geschichtslehrerin, während der Turnlehrer ihn gerne „Professor Pommfritz“ nennt, weil er so aussieht. Und so rufen ihn auch seine Mitschüler, allen voran der Schüler Pfitzner, immer mit einem hämische Grinsen.
    Turnen ist das Fach, in dem Otto nicht ganz an seine hervorragenden Leistungen in den anderen Schulfächern anschließen kann. Er ist aber ein gefürchteter Diskutant. Sollte zum Beispiel, im Rahmen eines Fußballspieles, die Frage auftauchen: „Abseits oder nicht Abseits?“, dann kann sich der Turnlehrer schon mal warm anziehen. Und die Knaben der zweiten Klassen A und B wissen, dass sie ein wenig zu spät in den Mathematikunterricht kommen werden. Da lässt sich „gaga“ recht gut aushalten.
    Ja, Otto Odysseus Ondruschka hat einen Sinn für das Gerechte. Das ist sicher eine gute Voraussetzung, um ein Superheld zu sein. Eine weitere gute Voraussetzung ist es, wenn der Superheld breite Schultern hat und den einen oder anderen Judo- oder Karatekniff beherrscht. Diese Voraussetzungen erfüllt Otto zwar nur theoretisch, aber das ist bloß ein unbedeutendes Detail am Rande, findet er. Was nicht ist, kann ja noch werden. Und bis dahin muss man sich eben anders behelfen.
    Otto spaziert die Obere Augartenstraße entlang, weicht geschickt einer rennfahrenden Kinderwagen-Mutter
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