Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nur Mut: Roman

Nur Mut: Roman

Titel: Nur Mut: Roman
Autoren: Silvia Bovenschen
Vom Netzwerk:
Schwan.
    »Sind wir jetzt beim Du?«
    »Ja. Deine Regie ist am Ende. Dein Name ist nur noch Schall und Rauch.«
    »Ja, schon klar, ich hatte einen kurzen Rückfall.«
    »Ist ein Vorwurf noch gestattet?«
    »Tun Sie sich keinen Zwang an.«
    »Es wurde zu wenig gelacht in deiner Villa.«
    »Worüber hätten wir lachen sollen? Es war schon spät geworden.«
    »Falsche Frage. Gerade in der Nacht muss man lachen, solange man noch kann. Liest du denn überhaupt keine Literatur? Das ist eines ihrer großen Themen. Einige ernstzunehmende Kollegen von Johanna haben daraus eine grimmig-komische Kunst geschaffen. Und ich spreche nicht von ›Texten‹, ich spreche von Kunst.«
    »Auch das Lesen hatte ich letzter Zeit vernachlässigt.«
    »Ja, ihr hättet mehr lachen sollen, wenn auch nicht so zwanghaft wie bei eurem furiosen Zerstörungsballett.«

    Plötzlich war der ganze Salon in ein glutrotes Licht getaucht.
    Glutrot!
    Nadine, Leonie und Johanna schrien auf.
    »Feuer!«
    »Feuer!«
    »Feuer!«
    Das leuchtende Rot brach sich in den vielen auf dem Boden verteilten gläsernen Splittern, und die roten Flecken, die auf den Wänden tanzten, wirkten wie vibrierende Blutspritzer.
    »Der Fluss brennt«, sagte Charlotte, die erstaunlich ruhig blieb.
    Alle starrten auf die großen Fenster. Bis zu deren Mitte schlugen züngelnde Flammen hoch.
    Aber, seltsam, man konnte den Brand nicht riechen.
    Der Hund und das kleine Mädchen waren durch den Aufschrei der drei Frauen wach geworden. Sie gähnten und reckten sich. Der brennende Fluss schien sie nicht zu ängstigen.
    Nadine, Leonie und Johanna dagegen hatten eine kauernde Haltung angenommen und wirkten, als wollten sie am liebsten unter die Sofas kriechen.
    Charlotte stand aufrecht – erhobenes Haupt, vorgerecktes Kinn –, so wie sie gestanden hatte mit dem Schürhaken in der Hand.
    Der rundliche geschminkte Herr klatschte in die Hände.
    »Ruhe, Ruhe, nur die Ruhe. Meine Damen, bitte keine Panik. Der Fluss ist schnell wieder zu besänftigen. Das ist nur sein üblicher Angstmachereffekt zum Schluss.«
    So sprach der sehr nette rundliche geschminkte Herr. Und tatsächlich, die Flammen wurden wieder kleiner, der rote Schein blasser.

    Und dann schlug der Schwan die Flügel zusammen und rief:
    »Das war der Höhepunkt der Show. Mehr haben wir nicht zu bieten. Jetzt ist es an euch. Nur Mut! Auf! Auf! Alle mal herhören. Das ist jetzt das Signal. Zeit zum Aufbruch. Macht euch frisch, packt eure Sachen und versammelt euch, stellt euch auf in Reih und Glied, die Zeit dieser endlosen Redereien ist vorüber, jetzt ist die Zeit zu gehen …«

Malibu
    »Stopp! Stopp! Hör auf! Hör bitte auf«, ruft Mary, »ich geh nicht mehr mit, du hast dich total verrannt mit diesem Märchenkram. Im letzten Kapitel hast du etwas zu tief in die Trickkiste gegriffen. Und ich glaube, das hast du nur getan, um mich zu ärgern, weil du weißt, dass ich als ›Fanatikerin des dreckigen Realismus‹ – wie du immer sagst – diese spukigen Ausflüge ins Phantastische hasse. Und in der Tat, als ich dich bat, den Hergang zu konstruieren, dachte ich, dass du doch etwas näher bei der Wahrscheinlichkeit bleiben würdest. Musste dieses Fabelzeug unbedingt sein?«
    Obwohl ihn das Wort ›Fabelzeug‹ etwas zu ärgern scheint – eine kurz umwölkte Stirn deutet darauf hin –, tut ihr Jean den Gefallen und mimt eine Beschämung.
    »Was sollte ich machen? Schließlich wolltest du unbedingt eine Geschichte. Und ich hätte wirklich nicht gewusst, wohin ich die vier Frauen zum Schluss führen sollte. Hier kommt nämlich dein geliebter Realismus an seine Grenze.«
    »Das musst du erklären.«
    »Die Leute tolerieren bereitwillig jede Grausamkeit, da kannst du ohne Erbarmen die mörderischsten Bilder, die brutalsten Szenen liefern, zerfetzte, zersägte, zerschossene Leiber, Blut in Strömen, und du kannst, ja sollst sogar das seelische Leid, die schlimmste Qual in den Mittelpunkt stellen, sie werden dir die Aufmerksamkeit nicht entziehen, aber die Fatalität, die banale, alltägliche unabwendbare Ausweglosigkeit, die kreatürliche Zwangsläufigkeit im Zeichen unserer Endlichkeit, das auslaufende Leben, den Tod als Normalfall, dessen Bebilderung haben sie nicht so gern. Ein Greis, der in seinem nahenden Tod einen Skandal sieht, macht sich lächerlich. Er hat sich zu fügen.«
    Mary spielt Entrüstung.
    »Ich bin nicht ›die Leute‹ und auch nicht so eng in meinem Literaturverständnis.«
    Jean spielt weiterhin den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher