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Nur Mut, liebe Ruth

Nur Mut, liebe Ruth

Titel: Nur Mut, liebe Ruth
Autoren: Marie Louise Fischer
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das Gesichtchen der Kleinen wieder über der
Wasseroberfläche erschien. „Komm, probieren wir es gleich noch einmal!“
    Wohl oder übel mußte Ruth
dieser Aufforderung folgen, und weil Fräulein Freysing ihr diesmal
Hilfestellung leistete, klappte es sogar einigermaßen.
    Dann kam die nächste Riege an
die Reihe, und Ruth konnte sich erlöst mit ihren Freundinnen im Wasser tummeln.
Aber sie war nicht glücklich dabei. Die Angst saß ihr noch in den Knochen, und
das Gefühl, sich lächerlich gemacht zu haben, peinigte sie.
    „Du bist ja eine schöne Flasche“,
erklärte Silvy, obwohl auch ihre Stärke durchaus nicht im Sportlichen lag.
    Und Olga behauptete: „Ich
verstehe gar nicht, wie du dich so anstellen kannst!“
    „Ach, gebt doch bloß nicht so
an“, setzte sich Ruth zur Wehr. „So fabelhaft habt ihr es ja auch nicht
gemacht!“
    „Aber immerhin... wir haben es
versucht!“ trumpfte Olga auf. „Während du...“
    „...einfach eine Niete bist!“
ergänzte Silvy.
    Katrin hatte das Geplänkel mit
angehört. „Und was seid ihr?“ rief sie übermütig. „Ihr seid doch bloß die
beiden Obernieten vom Dienst, und sonst gar nichts!“ Sie packte Silvy und Olga,
jede mit einer Hand, in den Nacken und drückte ihre Köpfe unter Wasser.
    Es dauerte eine ganze Weile,
bis sie sich, prustend und strampelnd, befreien konnten. Natürlich wollten sie
sich an Katrin rächen, aber Katrin war schneller als sie; sie schoß lachend
davon.
    Ruth hätte nun eigentlich
getröstet sein können, weil Katrin für sie Partei ergriffen hatte. Aber sie
ärgerte sich zu sehr über sich selber. Warum nur, warum mußte sie sich vor Anforderungen
fürchten, die alle anderen spielend meisterten?
    Ach, Ruth wäre so gerne tapfer
gewesen, aber sie schaffte es einfach nicht. Als Fräulein Freysing ihre Riege
das nächste Mal aufrief, stand sie wieder völlig verzweifelt am Rande des
Beckens, während die anderen schon den Startsprung — in den Knien federnd,
Hände voraus und schräg ins Wasser — übten, den die Lehrerin ihnen vorgemacht
hatte. Sie war so verzweifelt über sich selber, daß ihr die Tränen über die
Wangen liefen, was zum Glück niemand bemerkte, weil alle Gesichter naß und
voller Wassertropfen waren.
    Leonore erbarmte sich ihrer und
leistete Hilfestellung. „Wovor hast du eigentlich Angst?“ fragte sie. „Ich
verstehe dich gar nicht, du bist doch sonst eine ganz gute Turnerin.“
    „Es ist mir einfach greulich,
so Kopf voraus... ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll!“
    „Ich gebe ja zu, es ist ein
komisches Gefühl, und man muß sich erst daran gewöhnen. Aber denk doch bloß mal
nach... was kann dir denn dabei passieren?“ gab Leonore zu bedenken. „Selbst
wenn es ganz schiefgeht, klatschst du doch höchstens ein bißchen auf. Das ist
hundertmal ungefährlicher als das Turnen in der Halle. Wasser hat ja nun einmal
keine Balken.“ Sie gab Ruth einen kleinen Schubs und ließ sie ins Wasser rutschen.
    Kurz vor Schluß der Stunde, als
die Lehrerin schon begonnen hatte, die Mädchen aus dem Wasser zu treiben, rief
Katrin aufgeregt von einem Bein auf das andere hüpfend: „Fräulein Freysing,
Fräulein Freysing, darf ich mal etwas vormachen?“
    „Ja, was denn?“
    „Einen richtigen Kopfsprung vom
Brett!“
    Fräulein Freysing runzelte
mißtrauisch die dichten, geraden Brauen. „Bist du sicher, daß du das kannst?“
    „Habe ich schon mindestens
hundertmal gemacht!“
    „Also dann los!“
    Katrin ließ sich das nicht
zweimal sagen. Sie kletterte zum Sprungbrett hinauf und rief: „Mit Anlauf!
Achtung, fertig, los!“ Dann rannte sie, federte an der Spitze des Brettes,
stieß sich ab, flog in einem eleganten Bogen durch die Luft und landete, die
ausgestreckten Hände zuerst, ohne einen einzigen Spritzer im Wasser.
    Der Beifall der Klasse war laut
und ehrlich.
    Nur Silvy zischte: „Als wenn da
was bei wäre!“
    „Dann mach es ihr doch nach!“
riet Leonore freundlich.
    Katrin stieg aus dem Wasser und
nahm strahlend die Bewunderungskundgebungen der anderen und das Lob Fräulein
Freysings entgegen. Es war bei ihr durchaus nicht an der Tagesordnung, daß sie
wirklich etwas leistete außer mit dem Mundwerk, und deshalb war sie jetzt
besonders stolz auf sich.
    Als sich die allgemeine
Aufregung gelegt hatte, schlüpfte Ruth an ihre Seite. „Du, Katrin“, sagte sie,
„das war wirklich eine Wucht! Wie macht man das bloß?“
    „Pah, nichts einfacher als das!
Denk doch mal nach! Was ist leichter,
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