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Nur Gutes

Titel: Nur Gutes
Autoren: Erwin Koch
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öffnete langsam die Tür, zeigte sich zur Hälfte.
    ‹Ich weiß›, sagte die Frau, ‹es ist etwas früh und Sonntag.›
    Ihre Stimme war tief und heiser, das Gesicht bleich, auch rot, langes welliges Haar.
    ‹Um was geht es?›, fragte Albert.
    ‹Darf ich reinkommen?›, bat die Frau.
    ‹Wollen Sie Geld?›
    ‹Nein, kein Geld.›
    ‹Sondern?›
    ‹Darf ich reinkommen, Herr Mangold?›
    Die Frau trug einen schwarzen Mantel, der ihr über Knie und Hände reichte, einen roten Schal, und versuchte zu lächeln.
    ‹Ich nehme an, Sie wissen, wo Sie hier sind.›
    ‹Deshalb bin ich hier›, sagte die Frau.
    Warum schickt er sie nicht weg? -
    Albert, zur Hälfte hinter der Tür, trat zur Seite.
    ‹Wie gesagt, ich habe zu tun.›
    An ihrem Rücken hing ein kleiner schwarzer Rucksack.
    ‹Bitte›, sagte Albert und ging durch den Flur voraus in die Küche. Dagmar zog den Gürtel des Morgenrocks fest, stellte sich ans Spülbecken.
    ‹Meine Frau›, sagte Albert.
    ‹Guten Morgen, Frau Mangold›, sagte die Frau.
    ‹Hat es noch Tee?›, fragte Albert. ‹Die Dame möchte eine Tasse Tee.›

    Die Frau war Anna Baumer, neununddreißig, Tochter von Paul Baumer, der am Vortag begraben wurde, Anna Baumer, meine erste Liebe, meine einzige, auf der Flucht.

    Die Frau saß am Tisch, den Kopf in die rechte Hand gestützt, und schwieg und sah zum Fenster, dann zu Albert, der tat, als übe er die Heiterkeit in Gott.
    ‹Ist der Tee zu heiß?›, fragte Dagmar.
    ‹Er ist richtig so.›
    ‹Möchten Sie vielleicht den Mantel ablegen?›, fragte Dagmar, die Arme vor der Brust.
    Albert saß auf dem kurzen schwarzen Küchensofa und sah zur Uhr.
    ‹Es ist gut so›, sagte die Frau.
    Dann hob sie die Tasse mit beiden Händen und trankeinen kleinen Schluck, hielt die Tasse umfangen, sah zum Rucksack, der neben ihr am Boden lag.
    ‹Es ist kalt da draußen›, sagte Dagmar.
    ‹Kalt›, sagte die Frau.
    Die Frau drehte das Gesicht zum Fenster und hob wieder die Tasse. Der Löffel, der darin stand, schlug ans Porzellan und machte einen Ton, die Frau erschrak.
    ‹Sie sind nicht von hier?›
    Jetzt lächelt sie -
    ‹Ich war von hier.›
    Albert hob den Kopf.
    ‹Ich bin Anna Baumer›, sagte Anna.
    Dagmar legte die Hand flach auf ihren Mund und sah zu Albert.
    ‹Man wusste nicht, dass Sie noch leben. Umso schöner, dass Sie noch leben›, sagte Dagmar leise.
    ‹Doch›, sagte Anna und stellte die Tasse auf den Tisch. Albert stand vom Sofa auf, ging einige Schritte und trat zu Anna, zögerte, legte die Predigt auf das helle Holz.

    Reicht man sich jetzt die Hand? -

    ‹Ich habe mich verändert›, sagte Anna.
    Älter sei sie geworden, sagte Dagmar, wie alle auf der Welt. Und etwas bleicher als damals. Sie, Anna, sei eine Bleiche ja immer gewesen. Und das Haar, viel länger und wellig. Aber sonst.
    ‹Darf ich mich zu Ihnen setzen?›, fragte Dagmar und lächelte.
    ‹Es ist Ihr Tisch›, sagte Anna, bückte sich zum schwarzen Rucksack und hob ihn auf den Schoß.
    Dagmar setzte sich.
    ‹Gut sehen Sie aus, Anna.›
    ‹Willkommen in Aberwald›, sagte Albert und reichte Anna die Hand.
    Es sei überraschend und schön, sie zu sehen, sagte Dagmar, nach so vielen Jahren wieder.
    ‹Danke›, sagte Anna und wollte lächeln.
    ‹Wofür?›
    ‹Dass ich hier sitzen darf.›
    Was will sie hier? -
    ‹Ist selbstverständlich›, sagte Dagmar.
    Anna sah zum Fenster, dann zu Dagmar, die neben ihr saß, zu Albert, gegenüber. Sie zog mit der rechten Hand den Mantel über die Linke, mit der Linken über die Rechte, bis nur noch die Spitzen ihrer Finger zu sehen waren.

    ‹Noch etwas Tee?›
    ‹Der Zwieback – ist er zu hart?›

    Albert sah zur Uhr, zwanzig nach neun.
    ‹Sie müssen bald in die Kirche, Herr Mangold?›, fragte Anna.
    Müde sieht sie aus -
    ‹Um halb elf ist Gottesdienst›, sagte Albert und klopfte den Stapel Karten auf den Tisch, seine Predigt.
    ‹Sie schreiben noch immer mit grüner Tinte.›
    Dagmar lachte: ‹Die ist Pastor Mangold nicht zu nehmen.›
    Anna sah zum Fenster.

    Eigentlich müsste man fragen: Schämen Sie sich nicht, Anna Baumer, hierherzukommen? -

    ‹So ein Zufall›, sagte Dagmar, ‹heute kommt Simon zu Besuch. Simon mit seinen zwei Kindern. Wissen Sie, dass Simon zwei Kinder hat, Tim und Charlotte, fünfeinhalb und acht? Der Kleine besucht den Kindergarten, die Große längst die Schule. Hübsche Kinder sind es, beide gut und aufgeweckt, nicht wahr, Albert?›

    Mutter sprach und sprach, damit
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