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Nur Fuer Schokolade

Nur Fuer Schokolade

Titel: Nur Fuer Schokolade
Autoren: Jaques Buval
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doch nun darf er diesen Ort nur noch einmal wöchentlich besuchen. Der Berg Pornohefte in dem kleinen Wandregal ist verschwunden, geblieben sind die Bibel und alte Zeitungen, die er schon auswendig kennt. Er fürchtet sich, daß irgendwann die Aufmerksamkeit der Wächter nachläßt, daß er eines Tages ganz allein sein wird mit den Stimmen der Mörder, Räuber und Diebe. Sie hassen solche wie ihn. Er weiß, sie wollen ihn verletzen, ihn töten für die »unbehaarten« Mädchen, die er auf dem Gewissen hat.
    Kein Beamter kommt mehrmals am Tag an seine Tür, nur noch zum Empfang des Essens öffnet man eine kleine Luke. Der Hofgang wird nun zum Spießrutenlauf für ihn: Auf dem niedergetretenen Pfad entlang der Mauer wandert er, ein einsamer Mann. Gemästet mit Schokolade, gebeugt einher-gehend, niemandem mehr trauend, zieht er seine Kreise. Er hört nur noch die rauhen, heiseren Stimmen der Gefangenen, die ihm von der Gefängniswand entgegenhallen. Er kann sich dem Chor nicht mehr entziehen, dessen Botschaft als ewigwährendes Echo mit immer neuen Stimmen unaufhörlich auf ihn niederbraust. Er hält sich die Ohren zu, doch er hört sie, seine Häscher, die heute lauter schreien denn je: »Leszek, Leszek, du wirst sterben. Leszek, Leszek, bald kommt deine Zeit. Wir werden dich schlachten, dich quälen, dir die Gedärme aus dem Leib reißen. Warte, deine Zeit kommt.«
    Er kann diesem Chor seiner Mitgefangenen nicht mehr entkommen. Nun sind seine Hofgangzeiten geregelt. Wasser schütten sie aus ihren Zellenfenstern auf ihn, der einsam, ängstlich seine Runden dreht. Der Platz, auf dem er Schritt für Schritt seine Kreise abläuft, ist auch über ihm vergittert, das schützt ihn wenigstens vor größeren Gegenständen.
    Auch die Wärter haben sich ihm gegenüber verändert, ihm, dem »Star« von Zelle 53, denn es gibt auch für sie keine Geschenke mehr durch ihn und er bekommt das zu spüren. Aus seinen Augenwinkeln beobachtet er die Mitgefangenen. Er kann sie nicht erkennen hinter ihren dunklen Zellenfenstern, er sieht nicht, wer auf ihn lauert. Denn alle Gefangenen wünschen dieser Bestie den Tod, als einzige gerechte Strafe, die sie sich vorstellen können. Der Bankräuber kann nicht verstehen, warum er acht Jahre hier verbringen muß, wo er doch niemanden verletzt hat.
    »Und dieses Schwein, der Kinder umgebracht hat und wehrlose Frauen, der bekommt nur fünfundzwanzig Jahre?«
    »Ruhe da oben auf Zelle 46!« ruft der Wärter, der Leszeks Hofgang bewacht.
    »Ist doch wahr«, lautet die Antwort und dabei wird das Zellenfenster geschlossen.
    »So ist das Leben hier eben«, erklärt der Beamte und beendet den Hofgang zehn Minuten früher. Wortlos betritt Leszek den Bau und läßt sich wieder auf seine Zelle bringen.
    Nach Wochen erfährt Leszek, der eigentlich zunächst Mitte Januar 1997 in eine große Strafanstalt zwischen Stettin und Slupsk gebracht werden sollte, daß er in eine psychiatrische Anstalt in Kostborowo gebracht wird. Dieses Krankenhaus liegt 60 Kilometer von Danzig entfernt und hat eine psychiatrische Abteilung.
    Leszek freut sich, denn er weiß aus Erfahrung, daß es ihm dort sehr viel besser geht als im Gefängnis. Besseres Essen, nicht den ganzen Tag eingesperrt sein und Spaziergänge im Park, das würde ihn dort erwarten. Die Entscheidung des Gerichts ist gefallen und man bereitet sich auf den Transport vor. Doch die angestellten Ärzte und Krankenschwestern protestieren. Riesige Artikel in der Presse und Sendungen im polnischen Fernsehen wühlen die Volksseele erneut auf.
    Niemand hat bedacht, daß dieses Krankenhaus über keine geschlossene Abteilung verfügt, die eine Flucht Leszeks unmöglich machen würde. Die Krankenschwestern und Ärzte sind empört und drohen zu streiken, wenn Leszek zu ihnen gebracht wird.
    »Niemand kann die Sicherheit für all die Kranken in dieser Klinik garantieren, geschweige denn, für das Personal. Dieser Mann in unserer Klinik würde eine echte Gefahr darstellen.
    Wie kann man einen solchen Mörder in ein normales Krankenhaus einliefern?« regt sich ein Arzt der Klinik auf und die Bevölkerung Polens gibt ihm recht.
    So hallt durch die dunklen Gänge der Strafanstalt Slupsk weiter der Chor der Mitgefangenen, und täglich wird die Angst größer in Leszek Pekalski, daß sie das Angedrohte wahr machen.
    Er weiß, nur ein Augenblick entscheidet im Zweifelsfall über sein Leben. Die Unachtsamkeit nur eines Beamten bedeutet Schmerzen oder seinen Tod. Er erinnert sich an
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