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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition)
Autoren: Christos Tsiolkas
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Badehose aus und zählte bis fünfzehn. Fünfzehn war eine Glückszahl.
    Fünfzehn. Er drehte das Wasser ab und ging in den Umkleideraum.
    Hector stand nackt vor ihm mit einem weißen, feuchten Handtuch über den Schultern. Richie wagte kaum zu atmen und lächelte nur verlegen. Hector wirkte leicht irritiert, lächelte aber zurück. »Hallo.«
    Genauso hätte Grigorowitsch D’Estaing geklungen, eine volle, tiefe Stimme, an der nichts Weichliches war.
    Richie nickte ihm zu, traute sich aber nicht, etwas zu sagen. Er würde doch nur quieken wie ein Mädchen. Vielleicht sollte er ihn nach Aisha fragen oder nach den Kindern – scheiße, wie hießen die nochmal? Hector trocknete sich weiter ab. Richie nahm jedes Detail in sich auf, wahrscheinlich würde er nie wieder die Gelegenheit dazu bekommen. Er betrachtete seinen Nacken, seine Brust, denBauch, die Schenkel, seinen Schwanz, seine Eier, Knie, Ellbogen, Finger. Nichts davon würde er je vergessen. Die dichten schwarzen Haarbüschel um die Brustwarzen, die blasse Narbe am linken Arm, das rechte Ei, das größer als das linke zu sein schien. Als Hector die Vorhaut zurückschob und mit dem Handtuch darüberfuhr, bekam Richie unvermittelt einen Ständer. Er konnte nichts dagegen tun. Groß und wackelnd ragte er hervor. Hector rieb sich die Schultern ab, sah zu ihm rüber und dann, peinlich berührt, gleich wieder weg. Richie war sein bestürzter, angewiderter Blick nicht entgangen.
    Hector gab irgendein unidentifizierbares Geknurre von sich und wandte sich von ihm ab. Richie war knallrot angelaufen. Er hätte am liebsten geweint. Aber das durfte er auf keinen Fall. Hektisch schlüpfte er in seine Badehose und stürmte hinaus. Sein Schwanz war immer noch steif und drohte aus der Hose zu platzen. Er hielt im Laufen schützend die Hände davor und tat so, als schlotterte er vor Kälte. Fast wäre er auf dem Weg zum Becken ausgerutscht. Er ignorierte die Verbotstafeln und sprang kopfüber ins Wasser. Mit kräftigen Zügen durchfurchte er das Wasser und versuchte, der Begegnung zu entkommen, Hectors Verachtung, der Tatsache, dass er ihn gar nicht erkannt hatte und ihn für einen Perversen halten musste. Darüber konnte er eigentlich froh sein: So würde Hector wenigstens Aisha nichts erzählen, was bedeutete, dass weder Connie noch seine Mutter es erfahren würden. Aber er war nicht froh. Hector erinnerte sich nicht an ihn. Er interessierte sich nicht für ihn – für ihn war er nur ein Schwuler, ein Freak mit kranken, kindischen Fantasien. Richie schwamm und schwamm, Bahn um Bahn pflügte er durchs Wasser, wie um sich bis zur Erschöpfung zu geißeln. Irgendwann konnte er nicht mehr und hielt die Stirn gegen die kühlen Kacheln. Krank, einfach nur krank.
    Auf dem Weg zu Rosie verfluchte er sich noch immer. Statt wegzurennen, hätte er Hector entgegentreten sollen. Ich weiß, was du getan hast.
Ich weiß es
. Er klopfte wütend an die Tür.
    »Du kommst aber früh«, sagte Rosie lächelnd und führte ihn ins Haus.
    Er nuschelte irgendetwas Unverständliches. Hugo sah im Wohnzimmer eine DVD an, sprang aber sofort auf, als er Richie hörte. Erst jetzt, als der Junge sich ihm um den Hals warf, kam er zur Ruhe und hatte nicht mehr das Gefühl, sich in Stücke reißen, sich von seinem nutzlosen Körper und seinen kranken Gedanken befreien zu wollen. Er drückte Hugo und löste sich dann vorsichtig wieder aus seiner Umarmung. Richie holte den Inhalator raus und nahm zwei kurze, kräftige Züge. Jetzt konnte er endlich wieder atmen. Hugo sah ihn beunruhigt an.
    »Keine Sorge, kleiner Mann, ich bin nur ein wenig außer Atem.«
    Auch Rosie blickte besorgt.
    »Alles okay«, beteuerte Richie. »Ich habe mich nur beim Schwimmen übernommen.« Er ließ sich aufs Sofa fallen. »Wo ist Gary?«
    »Schläft.« Hugo kicherte. »Er schläft immer ganz lange. Er sagt, wenn ich ihn samstagmorgens wecke, versohlt er mir den Arsch.« Er setzte sich neben Richie. Rosie schüttelte den Kopf. »Du weißt, dass er das nicht so meint.«
    Hugo achtete nicht auf sie. Er sah voller Bewunderung zu Richie auf.
    »Hast du Lust, im Park Fußball zu spielen?«
    »Ja.« Hugo stieß einen Freudenschrei aus und lief im Kreis um den Couchtisch. »Hin und her schießen, hin und her schießen«, rief er.
    Rosie drückte Richie einen Zehner in die Hand.
    »Er möchte gern ein Eis essen«, flüsterte sie. »Aber nur eine Kugel.« Sie legte den Arm um Richie. Sie roch gut, nach Seife und blumigen Frauendüften. Sauber
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