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Nur ein kleiner Sommerflirt

Nur ein kleiner Sommerflirt

Titel: Nur ein kleiner Sommerflirt
Autoren: Simone Elkeles
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stets aus verschiedenen Blickwinkeln und bringst alle durcheinander.«
    An der Tür werden Schritte laut, und wir unterbrechen kurz unser Gespräch, als zwei Mädchen mit Tassen und einer Teekanne eintreten und die Tassen vor uns abstellen.
    »Das sind meine Schwestern, Madiha und Yara.«
    Krass. Mein Leben ist so ganz anders als das dieser Mädchen. Sie lächeln und verneigen sich leicht zum Gruß, und ich stehe auf und mache es ebenso, obwohl ich mir ein bisschen komisch vorkomme mit meinen Klamotten, die so viel Haut zeigen. Ich frage mich, was sie wohl von Mädchen wie mir denken, die weder ihren Kopf bedecken noch lange Gewänder wie sie tragen. Es ist unglaublich, wie grundverschieden unser Leben ist.
    Als sie sich zum Gehen wenden, setze ich mich wieder und beiße in meine Orange, die so süß ist, als hätte ich einen Löffel Zucker im Mund. Hmmm!
    In diesem Moment sagt Avi zu Tarik: »Amy glaubt, dass alle Israelis die Palästinenser hassen.«
    Das Letzte, was ich will, ist eine politische Diskussion zu entfachen – und was passiert: Avi macht es einfach selbst. Ich ersticke fast an meiner Orange. Nachdem ich das Stück schließlich hinuntergewürgt habe, mache ich den Mund auf, um etwas zu sagen, aber ich kriege keinen Ton raus.
    Tarik lehnt sich zurück. »Die Palästinenser erheben Anspruch auf dasselbe Land wie die Israelis. An dieser Tatsache kommt man nicht vorbei.«
    »Aber«, fährt Avi fort, »nicht jeder Palästinenser hasst jeden Israeli und nicht jeder Israeli hasst jeden Palästinenser.«
    »Wie kommt es, dass ihr zwei befreundet seid?«, frage ich und füge an Tarik gewandt noch hinzu: »Er geht bald in die israelische Armee!«
    Tarik zuckt die Achseln. »Das ist sein Leben, er muss tun, was er für richtig hält. Das ist bei mir nicht anders. Aber mein Volk hat beschlossen, auf andere Art zu kämpfen. Auf die einzige Art und Weise, die es für Erfolg versprechend hält.«
    »Es gewinnt keiner«, sage ich. »Warum könnt ihr euch nicht einfach irgendwie einigen und euch dann auch dran halten?«
    »Ich hoffe, dass sich das in Zukunft ändert«, gibt Tarik zu. »Manche wollen keinen Frieden mit den Israelis. Ich will schon Frieden, aber mir ist auch wichtig, dass mein Volk seine Würde wahren kann.«
    Avi sieht mich an und nickt. »Vielen Israelis geht es genauso, Amy. Sie wünschen sich Frieden, aber mit der Garantie, dass unsere Frauen und Kinder auf der Straße laufen oder Bus fahren können, ohne sich Sorgen um ihre Sicherheit machen zu müssen.«
    »Aber wer macht den ersten Schritt?«, fragt Tarik.
    »Im Nahen Osten war noch nie irgendetwas einfach«, meint Avi.
    Tarik nickt. »Da hast du recht. Wir sind zwei unbeugsame Völker und weichen nicht so schnell von unseren Ansichten ab.«
    Ich rutsche unbehaglich auf dem Kissen hin und her. »Wenn du Avi auf dem Schlachtfeld gegenüberstehen würdest, würdest du ihn töten, Tarik?«
    Tarik sieht Avi direkt an und sagt mit fester Stimme: »Ja. Und nichts anderes würde ich von ihm erwarten.«
    Avi beugt sich vor und nimmt meine Hand. »Ich habe dich hierhergebracht, um dir zu zeigen, dass wir nicht alle voller Hass sind, und du hast nichts Besseres zu tun, als zwei Freunde zu fragen, ob sie den anderen erschießen würden. Du hast echt eine unvergleichliche Art, alles auf die Spitze zu treiben, Süße. Weißt du, wir tun beide das, was wir tun müssen, um zu überleben. Das ist unsere Lebenseinstellung.«
    Wir bleiben noch eine Weile bei Tarik, die Jungs lachen über die Schule und ihre Familien und wollen etwas über meine Freunde zu Hause erfahren. Die politische Debatte haben sie auf Eis gelegt. Es scheint, als würden sie ihre Grenzen in der Diskussion über dieses Thema akzeptieren, und es ist schön, über Dinge zu sprechen, bei denen ich nicht das Gefühl habe, ich müsste jedes meiner Worte sorgsam abwägen oder bestimmte Antworten geben, um nicht anzuecken.
    Ich mag Tarik. Und ich verspüre einen neuen Respekt vor Avi, weil ich weiß, er kann seine politische Gesinnung außen vor lassen und mit Tarik befreundet sein, einfach weil er ein netter Kerl mit einem großen Herzen und jeder Menge Verstand ist. In den Nachrichten wird das immer so ganz anders dargestellt, da gibt es nur Schwarz oder Weiß. Ich finde, die sollten auch mal die guten Seiten zeigen und nicht immer nur die negativen.
    Als wir aufbrechen, umarmt mich Tarik zum Abschied und sagt: »Pass gut auf meinen Freund auf.«
    Gott, auf einmal kommt es mir vor, als würde ein
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