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Nur ein Katzensprung

Nur ein Katzensprung

Titel: Nur ein Katzensprung
Autoren: Sabine Hartmann
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und Unmögliche zu denken, nur nicht daran, wo ihr Sohn, wo Kelvin jetzt sein mochte und wie es ihm erging.
    „Frau Jänicke. Sie müssen darauf gefasst sein, dass die Presse bei Ihnen auftaucht.“
    „Unser Anzeiger?“
    „Ja, aber auch Überregionale und Fernsehsender oder Radio.“
    „Wegen Kelvin? Wollen die beim Suchen helfen?“ Sie richtete sich auf. „Vielleicht ist das gut für später?“
    Kofi beschloss, dass es Zeit war zu gehen. Er hoffte, dass die meisten ihrer Reaktionen auf das Beruhigungsmittel zurückzuführen waren. „Passen Sie auf sich auf. Wir melden uns bei Ihnen, sobald wir Ihren …, sobald wir Kelvin gefunden haben. Bleiben Sie sitzen, ich finde allein hinaus.“
    In Windeseile warf er einen kurzen Blick in die anderen Zimmer. Kelvins Kinderzimmer war ordentlich aufgeräumt. Im Bad hing Wäsche zum Trocknen über der Badewanne.
    Ihr Schlafzimmer sah ein wenig wüst aus. Kleidungsstücke und Handtücher lagen auf dem Bett, hingen über einem Stuhl. Mehrere Damenschuhe lagen auf dem Boden.
    Abgesehen vom Kleiderschrank und unter dem Ehebett gab es nichts, wo man einen Siebenjährigen verstecken konnte. Und da war er nicht.
    Kofi schloss die Türen sorgfältig, bevor er die Wohnung verließ.
    Er musste sich Guntrams Auffassung anschließen. Er glaubte nicht mehr daran, dass Angela Jänicke ihren Sohn, Kelvin, versteckt hatte. Auch dass sie ihn im Zorn geschlagen und verletzt oder sogar getötet haben konnte, schien wenig wahrscheinlich.
    Sie setzte auf seine Karriere. Betrachtete sie seinen Erfolg, jetzt und in Zukunft, als Ersatz für ihren eigenen?
    Und ihr Mann? Ex-Mann? Sie dachte mit Bitterkeit an ihn, das ja, aber Hass?
    Kofi stieg in seinen Wagen und fuhr ins Stadtzentrum zurück.

7
    Kofi saß oben, quasi im Fenster des Café Lücke, und schaute auf die Fußgängerstraße hinunter. Er freute sich, dass er einen der begehrtesten Tische ergattert hatte. Obwohl das Fachwerk heimelig wirkte, fand Kofi die Deko ein bisschen staubig. Er schaute lieber nach draußen.
    Zwischen Trauben von Schülern, die in kleinen Grüppchen herumliefen, sich gegenseitig schubsten und rempelten, kam zielstrebig Stefan Ollner auf das Café zu. Er bemerkte Kofi über sich nicht, tauchte aber, kurz nachdem er unten aus seinem Sichtfeld verschwunden war, in der oberen Ebene auf.
    „Wusste ich’s doch, dass ich dich hier finde“, sagte er und setzte sich neben Kofi.
    „Hast du bereits bestellt?“
    „Gleich unten am Tresen. Kleines Frühstück.“
    „Ich auch. Was hast du erfahren?“
    Stefan Ollner zückte sein Notizbuch. Kofi musste grinsen. Als ob er das brauchte. Er hatte garantiert jedes Detail im Kopf, viel mehr als er sich notiert hatte. Wahrscheinlich benötigte er das Notizbuch als Wegweiser, damit er nichts Wichtiges vergaß. Ollner war der einzige Mensch, den Kofi kannte, der ständig mit einem Bleistift schrieb. Er hatte auch überall Radiergummis und Anspitzer herumliegen, selbst im Auto und sogar bei sich zu Hause auf der Toilette.
    „Ich habe zuerst mit der Klassenlehrerin, Frau Weisz, gesprochen. Sie kennt Kelvin seit der ersten Klasse. Er ist ein Ass in Mathe, mit dem Lesen und Schreiben tut er sich ein bisschen schwerer. Sport ist sein Lieblingsfach, Kunst kann ihm gestohlen bleiben. Soweit so normal. Allerdings hat Frau Weisz gesagt, dass er nur zwei Freunde hat.“
    „Jonas und?“
    „Mira Langner, beide aus dem Judoverein.“
    „Ist er sehr ehrgeizig?“
    Ollner wiegte den Kopf. „Da wollte sie sich nicht festlegen. Sie sagte, dass er eigentlich gern der Beste sein will, er lässt zum Beispiel nie jemanden abschreiben und sagt auch nicht vor. Wirklich arbeiten für ein gutes Ergebnis will er aber nicht.“
    „Habe ich mir gedacht“, sagte Kofi, unterbrach sich und rückte ein Stückchen zur Seite, da die Kellnerin das Frühstück brachte. „Für mich verdichtet sich der Verdacht, dass der Junge stiften gegangen sein könnte, weil er Angst hatte, den Ansprüchen seiner Mutter nicht gerecht werden zu können. Das einzige Problem dabei ist, dass er auf der Judosafari wohl tatsächlich auf ganzer Linie erfolgreich war. Entweder ist im Bus noch eine andere Sache passiert, von der wir bisher nichts wissen, oder er fürchtete sich vor etwas, das am Montag geschehen würde. Stand eine Arbeit an?“
    „Nein. Erste und zweite Stunde Sport, danach Mathe. Das Gespräch mit der Schulleiterin hat ebenfalls keine neuen Erkenntnisse erbracht. Bist du bei der Mutter
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