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Nur Dumme machen keine Fehler

Nur Dumme machen keine Fehler

Titel: Nur Dumme machen keine Fehler
Autoren: Andreas Schlueter
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unleserlich zerlaufen waren. Johanna mochte sich nicht so sehr an der Freude beteiligen. Immer wieder dachte sie an das Musikstück, das nun völlig neu komponiert werden musste.
    „Sie hat den Fehler gemacht, es sich nicht rechtzeitig ins Heft abzuschreiben“, kommentierte Mörfi. „Verpasst, verpatzt!“
    Johanna wandte ein, dass Frau Richterkamp es ja vorgehabt hatte.
    „Schnickschnack! Keine Geduld, selbst schuld“, fuhr Mörfi dazwischen. „Sie hat den Fehler gemacht, weil sie gemerkt hat, wie schlecht das Lied war.“
    „Frau Richterkamp fand unser Lied schlecht?“,wunderte sich Johanna und blieb stehen. Das konnte sie nicht glauben.

    „Klar verkorkst!“, war Mörfi sicher. „Kein verzwickter Zweifel.“ Es richtete sich auf, stand jetzt auf Johannas Kopf, legte sich die Handfläche quer gegen die Stirn und blickte in die Ferne, als würde es im Ausguckkorb eines Segelschiffes stehen. „Sie hatte es selbst bloß noch nicht gewusst. Versteckt verzweifelt hat sie den Fehler begangen!“
    „Was?“, entfuhr es Johanna. Vor Erstaunen schüttelte sie den Kopf.
    Mörfi rutschte, konnte sich gerade noch in einer Locke festhalten.
    „Au!“, beklagte sich Johanna.
    Mörfi entschuldigte sich und kletterte aufJohannas Schulter.

    „Frau Richterkamp hat absichtlich den Fehler gemacht?“, fragte Johanna ungläubig.
    Mörfi rutschte an Johannas Arm herunter und glitt in ihre Hosentasche, aus der es nun herausguckte wie von einem Balkon. Ein Großteil der Fehler, die Menschen machten, erklärte Mörfi aus der Hosentasche heraus, als wollte es eine Ansprache halten, wären nichts als deren innere Wünsche, etwas falsch zu machen. Nur Fehler ermöglichten manchmal einen Neuanfang!
    „Lieber fett gefehlert als halbrichtig durchgemogelt!“, brachte Mörfi seine Ansichten auf den Punkt.
    Johanna blickte nachdenklich auf den asphaltierten Weg. „Ich weiß nicht …“, murmelte sie.
    „Aber ich!“, rief Mörfi keck dazwischen. „Nur stecken die verwunschenen Fehlerwünsche manchmal verzwickt fest. Dann muss man nachhelfen. ‚Fehler frei!‘ ist besser als fehlerfrei! Freiheit für die Fehler! Nieder mit der Fehlerfreiheit!“
    Johanna erinnerte sich an Alexanders Text. Der war besser geworden, nachdem er den ersten gelöscht hatte. Bei der Schulhymne verhielt es sich vielleicht ebenso.
    „Aber ich wollte auf gar keinen Fall einen Kirschsaftfleck auf meinen Teppich machen!“ Da war sich Johanna felsenfest sicher.
    „Ach soooooo“, sagte Mörfi und kicherte dabei wieder so komisch. „Du wolltest also schon immer auf einem nigelnagelneuen, feinen, sauberen Musterausstellungsteppich leben? Tippelteppich, auf dem man sich nicht bewegen darf. Schuhe aus und Dreck hinaus. Saugeteppich, Sauberteppich. Bloß nicht springen, bloß nicht spielen, immer auf den Teppich schielen?“
    Johanna räumte ein, dass sie das nicht wollte. Sie verstand, was Mörfi sagen wollte: Vermutlich würde es nach dem Saftfleck und weiteren Flecken nicht mehr lange dauern, bis ihre Mutter sagen würde, bei dem Teppich wäre es ohnehin gleichgültig, ob man die Schuhe auszog oder nicht.
    Mörfi grinste. „So wird aus dem fusselfreien feinen Tippelteppich endlich ein fröhlich frischer Tobeteppich!“
    „Und deshalb soll ich den Kirschsaft umgeworfen haben?“ Johanna konnte sich wirklich nicht vorstellen, dass sie das Glas hatte umkippen wollen.
    „Nein!“, widersprach Mörfi. „Aber du hast es dir innerlich gewünscht. Verzwickt verwunschener Fehlerwunsch. Ich habe dir nur den Gefallen getan, deinen Wunsch zu verwirklichen. Erfüllter Fehler.“
    „Na, danke für die Katastrophe!“, raunzte Johanna Mörfi an. „Zum Glück hat meine Mutter den Fleck noch nicht gesehen.“
    „Keine Katastrophe!“, widersprach Mörfi. „Nur eine putzige Panne. Katastrophen sind etwas anderes, und zwar …“ Es kam nicht mehr dazu, das zu erklären.
    Ein lautes Quietschen unterbrach das Gespräch.
    Johanna blickte auf und sah mit angehaltenem Atem, wie ein Außerirdischer mit seinem Fahrrad eine Vollbremsung machte. In Wahrheit war es natürlich kein Außerirdischer, sondern ein Angestellter eines Kurierdienstes. Aber mit seinem bunten Helm, der stahlblauen Rennsonnenbrille, dem Funkgerät an der Schulter, der riesigen Plastiktasche auf dem Rücken und dem hautengen, grellen Rennanzug auf einem Mountainbike mit mindestens 27 Gängen sah der Mann aus wie ein Außerirdischer. Und er fuhr auch so. Mit einem Affentempo war er die Straße
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