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Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Titel: Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden
Autoren: Claire Seeber
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wollen wissen, wo ihre Frau ist, und das möglichst von morgens bis abends, ob sie …«
    Renee unterbrach mich. »Feministinnengeschwätz«, wie sie das nannte, hatte in ihrer Show nichts zu suchen. Viel zu ernsthaft, viel zu wenig Blut und Scheiße.
    »Also, Maggie …«
    Ich kannte diesen Ton.
    »Sie selbst haben doch professionelle Hilfe in Anspruch genommen, nicht wahr?«
    Darauf wusste ich nicht gleich eine Antwort. Die Luft schien um mich herum zu gefrieren, mein Gesicht wurde starr. Sie wusste es also. Ich starrte auf den Boden, während sie vor mir auf und ab tigerte. Aber wie viel wusste sie? Die Absätze ihrer Lederstiefel waren sehr hoch, die Schuhspitzen sahen aus wie bei einer Comic-Hexe.
    »Dafür müssen Sie sich doch nicht schämen, Liebes.«
    Charlie hatte mich verraten. Er musste es gewesen sein.
    »Geht es Ihnen gut?«, fragte sie, und in den Ohren der Zuschauer klang das sicher ungeheuer fürsorglich. »Sie sehen aus, als seien Sie den Tränen nah.«
    »Aber nein«, sprudelte ich hervor. »Entschuldigung. Es sind die Blumen.« Ich wedelte unbestimmt nach hinten. »Lilien. Ich kann sie nicht … ich reagiere immer merkwürdig darauf, wissen Sie.« Nie im Leben würde ich hier vor laufender Kamera die Wahrheit sagen. »Das ist der Heuschnupfen.«
    »Liebe Maggie, lassen Sie uns doch an Ihren Gefühlen teilhaben. Seien Sie doch nicht so zurückhaltend.« Ihre Stimme verfiel in diesen gewissen Singsang, der ihre Grausamkeit sorgsam hinter einem Mantel überfließender Nettigkeit verbarg. »Vielleicht können wir Ihnen ja helfen, Maggie?« Sie richtete den Blick ins Publikum. Ihr Publikum.
    Die Spannung stieg. Sie baute sich um mich herum auf wie ein elektrisches Feld. Alles wartete. Ich konnte Charlie hinter der Kulisse förmlich fühlen - wie einen Jagdhund, der seine Beute belauerte. Panik stieg in mir hoch.
    Fernandez hatte es offensichtlich satt, übersehen zu werden. Er entblößte seine gelben Zähne und sorgte unwissentlich dafür, dass die Spannung in sich zusammenfiel.
    »Aber genau darum geht es doch in meinem letzten Buch, Schatten der Modernen Welt . Häufig übersehen wir Situationen, in denen wir …«
    Renee hob gebieterisch die Hand. Er hatte es versaut. »Danke, Mr Fernandez …«
    »Doktor Fernandez.«
    »Verzeihung, Doktor Fernandez«, spuckte sie ihm Silbe für Silbe entgegen, als hätte sie Dreck geschluckt. »Doch wir wollen ein bisschen mehr darüber wissen, wie die Tragödie den Alltag unserer Gäste verändert hat. Wie schafft man es, am Morgen aufzustehen, wenn man die Liebe seines Lebens verloren hat? Applaus bitte für einen Menschen, der uns genau das sagen kann … Lassen Sie uns Lesley Quentin willkommen heißen, Stans Witwe. Stan ist der mutige Fahrer, der in jener Nacht so heldenhaft sein Leben opferte.«
    Meiner Ansicht nach hatte der arme alte Stan in jener Nacht nicht viel Gelegenheit zum Heldenmut gehabt. Fay starrte mich mit einem verzückten Ausdruck auf ihrem hübschen Gesichtchen an. Langsam ging sie mir richtig auf die Nerven.
     
    In der letzten Pause brachte man die Dame mit der Gesichtstransplantation auf die Bühne. Dass das Ganze jetzt zur Freak-Show ausartete, machte mich erst recht fertig. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Ich machte Charlie unmissverständliche Zeichen, dass ich mit ihm sprechen wollte. Dazu aber musste ich seinen Blick erst von der aufgedonnerten Schwester der Transplantat-Lady abziehen, die in den Kulissen stand.
    »Ich fühle mich nicht besonders«, maulte ich. »Es war doch ein ziemlicher Schock.« Ich versuchte, so vorwurfsvoll wie möglich zu klingen, aber er war unerbittlich. »Brauchst du mich denn überhaupt noch?«
    »Um Himmels willen, Maggie. Es sind nur noch fünfzehn Minuten. Reiß dich doch mal zusammen. Die Show war super bis jetzt. Mach nicht alles kaputt.«
    »Bitte, Charlie. Mir ist wirklich mulmig zumute.«
    Er runzelte die Stirn und trat vorsichtshalber einen Schritt zurück, um seine Gucci-Slipper in Sicherheit zu bringen. Man wusste ja nie … Dann strahlte Fay ihn begeistert an, und ich sah zu, wie er sich kopfüber in die Tiefe ihrer violettblauen Augen stürzte. Dabei war sie noch nicht mal sein Typ.
    »Okay, Maggie. Dann machst du eben eine kleine Pause.« Er bleckte die vollendet weißen Zahnreihen Richtung Fay und strich seine Krawatte glatt. »Wir unterhalten uns später.«
    Ich schnappte mir meine Krücken und machte, dass ich rauskam, bevor er es sich anders überlegte. Komischerweise machte Renee sich
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