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Nullpunkt

Nullpunkt

Titel: Nullpunkt
Autoren: Lincoln Child
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werden möchtest?», fragte Marshall.
    Der Tuniq schüttelte den Kopf. «Mein Volk hat ein Sprichwort: Die Reise ist ihr eigenes Ziel.»
    «Ein chinesischer Philosoph hat etwas sehr Ähnliches geschrieben», sagte Logan.
    «Ich möchte dir noch einmal danken», sagte Marshall. «Dafür,dass du mit zurückgekommen bist, trotz allem. Dafür, dass du dein Wissen und deine Erkenntnisse mit uns geteilt hast.» Er streckte Usuguk die Hand hin, doch anstatt sie zu ergreifen, nahm Usuguk Marshall an den Armen.
    «Mögest du den Frieden finden, den du suchst», sagte er. Dann nickte er den anderen zu, hob den kleinen Seesack mit Wasser und Proviant auf, den sie für ihn vorbereitet hatten, zog sich die fellgesäumte Kapuze über den Kopf und wandte sich zum Gehen.
    Sie sahen ihm schweigend hinterher, als er durch den Schnee nach Norden stapfte. Marshall fragte sich, ob die Frauen in sein Dorf zurückkehren oder ob Usuguk den Rest seines Lebens allein, in mönchischer Einsamkeit verbringen würde. Er wusste, dass der alte Mann beide Möglichkeiten mit stoischer Gelassenheit akzeptieren würde.
    «Sie suchen also nach Frieden?», fragte Kari ihn.
    Marshall dachte kurz nach. «Ja. Ich schätze, das tue ich.»
    «Tun wir das nicht alle?», erwiderte sie und zögerte kurz. «Ich denke, ich gehe besser rein. Der Repräsentant von Blackpool und die Versicherungsleute treffen nach dem Essen ein. Ich habe eine Menge vorzubereiten.»
    «Ich komme später vorbei», sagte Marshall.
    Sie lächelte. «Tun Sie das.» Sie wandte sich um und schlüpfte durch die Tür ins Innere der Basis.
    Logan sah ihr hinterher. «Ist das etwa ein Verhältnis, das Sie da gerade anfangen?»
    «Wenn ich einen Vorwand finden kann», antwortete Marshall vergnügt.
    «Es gibt immer einen Vorwand.» Logan blickte auf seine Uhr. «Nun, ich schätze, ich bin der Nächste, der sich verabschiedet. Mein Helikopter ist jeden Augenblick hier.»
    «Wir brechen morgen auf», sagte Marshall. «Sie hätten noch einen Tag warten und sich eine Menge Geld sparen können.»
    «Ich habe einen Anruf von meinem Büro. Irgendetwas hat sich ergeben.»
    «Was denn, eine neue Geisterjagd?»
    «In der Art. Abgesehen davon wissen die Typen, die uns heute Morgen verhört haben, wo ich wohne. Ich bezweifle, dass ich sie zum letzten Mal gesehen habe.» Er zögerte. «Was haben Sie ihnen erzählt?»
    «Genau das, was passiert ist. So gut ich mich erinnern konnte», antwortete Marshall. «Ich hatte allerdings das merkwürdige Gefühl, dass jede meiner Antworten neue Fragen von ihrer Seite hervorrief, deswegen hielt ich irgendwann einfach den Mund.»
    «Und? Haben sie Ihnen geglaubt?»
    «Ich denke schon. Wir waren schließlich alle Augenzeugen. Ich wüsste nicht, warum sie an unseren Worten zweifeln sollten.» Er sah Logan an. «Sind Sie anderer Meinung?»
    «Es hätte sicher geholfen, wenn wir einen Kadaver hätten vorweisen können.»
    «Ja. Das ist wirklich eigenartig. Jedenfalls ist eine Menge Blut zurückgeblieben. Ich hätte Stein und Bein schwören können, dass die Bestie mausetot ist, mit dem aufgeplatzten Schädel und allem.»
    «Sie hat sich zum Sterben in eine Ecke zurückgezogen», sagte Faraday. «Genau wie die erste.»
    «Sie wissen, was Usuguk dazu sagen würde», entgegnete Marshall. Er blickte zum Horizont, wo der Tuniq inzwischen bereits zu einem kleinen braunen Fleck in all dem Weiß und Blau geschrumpft war.
    «Ich bin jedenfalls verdammt froh, dass sie tot ist», sagte Logan. «Wenngleich ich das Prinzip immer noch nicht verstanden habe. Wie die Schallwellen sie töten konnten, meine ich.»
    «Ohne einen Kadaver werden wir das wohl niemals mit Bestimmtheit wissen», antwortete Marshall. «Ich habe eine Mutmaßung. Es ist offensichtlich, dass hohe Frequenzen eine irritierende Wirkung auf sie hatten. Eine reine Sinuswelle, ein Geräusch ohne jede Oberschwingung, schien am schmerzhaftesten für die Kreatur zu sein.»
    «Aber … erzeugen nicht die meisten Geräusche Oberschwingungen?»
    «Das ist richtig», sagte Faraday. «Sogenannte unvollkommene Instrumente wie Violinen oder Oboen oder menschliche Stimmen – sie alle erzeugen Oberschwingungen. Es ist eigentlich ironisch, weil genau diese Oberschwingungen den Klang eines Instruments reich und komplex machen.»
    «Aber bestimmte Sinuswellen tun es
nicht
», sagte Marshall. «Ich hatte den Schallgenerator so eingestellt, dass er drei solcher Wellen erzeugte, jede ein Mehrfaches einer perfekten Quinte von der anderen
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