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Null

Null

Titel: Null
Autoren: Adam Fawer
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Straight Flush möglich, aber die Chance war so minimal, dass Caine sich nicht die Mühe machte, die Wahrscheinlichkeit zu berechnen.
    Da Caine bereits drei Asse hatte, brauchte er nun entweder ein weiteres Ass, einen Buben oder eine Sechs. Wenn er ein weiteres Ass bekam, hatte er einen Vierling. Mit einem Buben oder einer Sechs hatte er ein Full House, entweder mit Assen und Buben oder mit Assen und Sechsen. Bei sieben Outs (ein Ass, drei Buben, drei Sechsen) lag die Wahrscheinlichkeit, bei den nächsten beiden Runden die dafür nötigen Karten zu bekommen, bei   … Caine blinzelte, sein Herz pochte   … 28   Prozent. Nicht schlecht.
    Er sah zu Walter hinüber, versuchte in den tränendenAugen des alten Mannes zu lesen, aber da war nur eine Mattigkeit, die Caine auch von seinem eigenen Spiegelbild her kannte. Das und ein nervöses, intensives Verlangen, zu spielen, zu spielen, zu spielen. Und dann übermannte ihn eine weitere Woge dieses Gestanks. Warmer Gallensaft quoll ihm in den Mund, und er würgte ihn wieder hinunter.
    Caine wusste, er hätte auf die Toilette gehen sollen, aber er konnte nicht. Nicht mitten in einer Partie, bei der er das bestmögliche Blatt hatte. Undenkbar. Selbst wenn ihm die Augen geblutet hätten, wäre er erst gegangen, wenn die Karten wieder eingesammelt wurden. Ohne hinzusehen, warf er vier Chips in den Pott.
    «Erhöhe um zwanzig.»
    «Gehe mit.» Die Straßen-Schwester blieb dabei. Caine hoffte, sie war diesmal auf den Buben aus und nicht, wie es ihre Angewohnheit war, auf eine Straße.
    «Gehe mit.» Mist, Stone blieb ebenfalls dabei. Wie üblich saß er still wie eine Statue da. Er regte sich fast nie, aber das war nicht der Grund für seinen Spitznamen; den hatte er sich damit verdient, dass auf ihn felsenfest Verlass war. Stone hielt sich immer an die Regeln, ließ sich nie von einem Gefühl oder einer Laune leiten und behielt stets die Chancen im Blick. Er wäre nun auf jeden Fall ausgestiegen, wenn er es nicht auf eine Straße oder einen Flush abgesehen hätte.
    Caine verwünschte sich dafür, dass er nicht aggressiver gesetzt hatte, ehe beim Flop die ganzen Straßenfans zum Vorschein kamen. Sie wären nicht dabeigeblieben, wenn er von Anfang an härter rangegangen wäre. Doch der Gestank hatte ihn benebelt, und er hatte schlecht gespielt. Er versuchte sich einzureden, dass er aus lauter Gier so wenig gesetzt hatte, damit ihm die anderen auf den Leimgingen, aber das stimmte nicht. Es war der Gestank. Der Gestank, der Gestank,
der Gestank
. Wenn er die Augen schloss, sah er vor seinem geistigen Auge bergeweise faulendes Fleisch, in dem sich zahllose weiße Maden wanden.
    Walter nestelte an seinen Chips herum, schnippte sie sich von den Fingerknöcheln. Einen Moment lang glaubte Caine, Walter würde erhöhen, doch stattdessen ging er nur mit. Ja, alle warteten auf den Turn und hielten sich zurück, solange sie nicht wussten, was da kommen würde.
    Die nächste Karte war ein erfreulicher Anblick. Für Caine war sie schöner als das Playmate des Monats oder der Sonnenuntergang über dem Grand Canyon – ein Pikass. Mit den zwei Assen auf dem Tisch und den beiden auf der Hand hatte er nun einen Vierling.
    Das einzige Blatt, das seins noch schlagen konnte, war ein Straight Flush, aber es war unwahrscheinlich, dass jemand den bekam. Da musste als Nächstes schon ein Pikkönig, eine Pikdame oder eine Pikzehn kommen, und diejenigen, die dann noch übrig waren, mussten bereits die beiden anderen hohen Pikwerte auf der Hand haben. Nein, das kam nicht in Frage.
    Aber dennoch   … Caine rechnete es schnell im Kopf durch, mit hängenden Lidern, um seine hin und her schießenden Blicke zu verbergen: Die Wahrscheinlichkeit, dass man eine dieser drei Pik-Kombinationen ausgeteilt bekam (König-Dame, König-Zehn oder Dame-Zehn), stand bei 442 zu eins. Die Wahrscheinlichkeit, dass man eins dieser Paare ausgeteilt bekam und dass dann auch noch die dritte Karte kam, lag bei 19   448 zu eins. Nein, das kam wirklich nicht in Frage.
    Der Pott war sein; jetzt ging es nur noch darum, wie hoch er den Gewinn bis zum Ende der Partie treibenkonnte. Wenn er zu aggressiv setzte, verscheuchte er womöglich die ganzen Fische. Ließ er es aber sachte angehen, so vergeudete er womöglich dieses Prachtblatt. Er musste die goldene Mitte finden – nicht zu wenig und nicht zu viel.
    «Zwanzig.» Walter warf vier rote Chips in den Pott und lehnte sich zurück, so als stellte er sich auf eine längere Wartezeit
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