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Null

Null

Titel: Null
Autoren: Adam Fawer
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übel wurde.
    «Ja, mir geht’s gut, Schwester. Danke.»
    «Sicher? Sie sind ein bisschen grün im Gesicht.»
    «Das muss wohl an den grünen Scheinen liegen, die ich hier gewinnen will», sagte Caine mit halbherzigem Grinsen.
    «Sind wir dann fertig mit dem Kaffeeklatsch, oder wollt ihr beide euch ein Zimmer nehmen?», höhnte Walter. Er beugte sich so weit vor, dass Caine seine Röstzwiebelfahne riechen konnte. «Zwanzig. Für. Sie. Dabei. Oder. Nicht?»
    Caine sah hinab auf sein Blatt und dann wieder auf die aufgedeckten Karten auf dem Tisch. Er streckte die langen, sehnigen Arme über den widerspenstigen schwarzen Haarschopf. Er zwang sich, den Gestank zu ignorieren, und überlegte, was er nun tun sollte.
    «Hören Sie auf, die Chancen zu berechnen, und setzen Sie», sagte Walter und zupfte an einem Niednagel.
    Caine war dafür bekannt, dass er kopfrechnend die Chancen von fast allem kalkulierte. Die einzige Variable, die Caine hier nicht berechnen konnte, war die Wahrscheinlichkeit, dass seine Gegenspieler blufften, aber er versuchte es dennoch. Caine hatte den Eindruck, dass ihn Walter absichtlich zur Eile antrieb, und deshalb schenkte er ihm einen gelangweilten Blick und analysierte weiter die Lage.
    Sie spielten
Texas Hold ’Em
, und die Regeln waren einfach. Jeder Spieler erhielt zwei Karten, und dann wurden drei Gemeinschaftskarten, der
Flop
, für jedermann sichtbar aufgedeckt. Anschließend folgte die vierte offene Karte, der so genannte
Turn
, und schließlich die fünfte und letzte,
River
genannt. Nach jeder offenen Karte gab es eine Setzrunde, und es gewann der Spieler, der das beste Fünf-Karten-Blatt hatte – gebildet aus den fünf Gemeinschaftskartenin der Tischmitte und den beiden Karten auf der Hand.
    Das Schöne an diesem Spiel war, dass ein kluger Spieler jederzeit mit einem Blick auf die Tischmitte das bestmögliche Blatt ermitteln konnte. Wenn Caine den Flop ansah, sah er nicht drei Karten, sondern Hunderte von Wahrscheinlichkeiten. Am meisten interessierte ihn dabei die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen. Mit seinem gegenwärtigen Blatt schätzte Caine diese Wahrscheinlichkeit als hoch ein. Er hatte zwei Asse auf der Hand, Herz und Karo. Die Gemeinschaftskarten waren ein Kreuzass und zweimal Pik: Bube und Sechs. Caine hatte also drei Asse und damit das
Nuts
, das bestmögliche Blatt, aber es gab noch eine Menge
Outs
.
    Er begann die Chancen für jedes denkbare Szenario zu kalkulieren. In den wenigen kostbaren Sekunden, in denen Caine seine Berechnungen anstellte, schwiegen glücklicherweise die Neuronen, die immer noch darauf beharrten, die Luft sei erfüllt mit dem Gestank von brennendem Fleisch.
    Wer jetzt zwei Pikkarten auf der Hand hatte, hatte insgesamt viermal Pik – zweimal auf der Hand und zweimal auf dem Tisch. Derjenige brauchte für einen Flush noch eine weitere Pikkarte. Caine rechnete alles durch, und sein Hirn jonglierte mit den Zahlen mit der Leichtigkeit, mit der ein Kind das Abc herunterleiert.
    Da ein Pokerblatt dreizehn Pikkarten enthielt, waren, wenn jemand zweimal Pik auf der Hand hatte, nur noch neun Pikkarten im Kartenstapel übrig (die diesbezüglichen Outs). Die Wahrscheinlichkeit, dass eine der nächsten beiden Karten ein Pikwert sein würde, betrug 36   Prozent. Das war hoch, aber andererseits lag die Wahrscheinlichkeit, dass jemand zwei Pikkarten ausgeteilt bekommen hatte, bei lediglich sechs Prozent.
    Caine drehte den geistigen Schlüssel im Schloss, um an die Lösung zu gelangen: die Wahrscheinlichkeit, dass man zwei Pikkarten bekam und eine weitere aufgedeckt wurde. Er seufzte, als der Wert wie eine prächtige Neonschrift in seinem Kopf aufleuchtete: nur 2,1   Prozent. Damit konnte er leben.
    Er wiederholte diese Übung und berechnete diesmal die Wahrscheinlichkeit, dass jemand nur eine Pikkarte ausgeteilt bekam und dennoch einen Flush hinlegte: gerade mal 2,0   Prozent. Die Chance, dass jemand mit Kreuz statt mit Pik einen Flush erzielte, war sogar noch geringer: 0,3   Prozent. Darum musste er sich keine Sorgen machen.
    Die Straße war da schon beunruhigender. Da ein Ass und ein Bube offen lagen und keine weitere Bildkarte und keine Zehn in Sicht waren, gab es noch zwölf Outs, mit denen eine Straße gebildet werden konnte (die vier Könige, Damen und Zehnen). Dennoch lag die Wahrscheinlichkeit, dass jemand bereits die beiden übrigen für eine Straße nötigen Karten auf der Hand hatte, bei lediglich 3,6   Prozent. Theoretisch war auch immer noch ein
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