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Nudeldicke Deern

Nudeldicke Deern

Titel: Nudeldicke Deern
Autoren: Groener Anke
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dass sie viel von ihr hätte lernen können, und daher bereitete sie eben das Beste zu, was ihr möglich war. Mein Vater sagt, er kann bis heute gerade mal Kaffee und Kartoffeln kochen, und das war’s dann auch bei ihm mit der Kulinarik. Deswegen konnte ich mich auch nie so recht über die guten Zutaten aus Omas und unserem Gemüsegarten freuen, weil sie eben nicht so bunt waren und nicht immer wieder gleich schmeckten wie das Zeug, das die Lebensmittelindustrie zusammenbraut. Mein blöder Gaumen wollte lieber Glutamat als vorsichtig gewürzte Bohnen, und damit waren meine Essensvorlieben für die nächsten 20 Jahre einprogrammiert.
     
    Wäre ich nicht so doof pubertierend gewesen und hätte konsequenterweise alles totaaal affig gefunden, hätte ich meinen Großmüttern was abgucken können, denn die waren Meisterinnen am Herd. Bei Familienfeiern konnte ich meist kaum glauben, was da alles an Leckerem aus Omis kleiner Küche kam: plattenweise Braten, Gemüse und Saucen, Puddings und Cremes zum Nachtisch, Kuchen und Torten zum Kaffee. Natürlich alles selbstgemacht – und hier schmeckte es selbst mir deutlich besser als Fertigkram. Aber auch das brachte mich leider nicht dazu, mich an den Herd zu stellen, denn das hätte ja Arbeit bedeutet.
    Heute weiß ich, wie genussvoll und belohnend es sein kann, ein winziges bisschen Aufwand in seine Ernährung zu stecken, anstatt Industriemüll zu essen. Aber ich wette, selbst wenn mir das damals jemand gesagt hätte: Ich hätte es nicht geglaubt. Wie man halt in der Pubertät so drauf ist: Man glaubt, alles zu wissen, und hat in Wirklichkeit keine Ahnung.
     
    Ab und zu startete ich halbherzige Versuche, mehr zu kochen als die Standards, die man von Freunden oder Freundinnen mitbekommt oder die wenigstens ein bisschen Eigenarbeit erfordern – die selbstgekochten Spaghetti mit der Sauce aus dem Glas, der fertige Pizzateig, den man immerhin selbst belegt, den Rührkuchen aus einer Backmischung. Dazu kaufte ich mir das damalige Standardwerk in allen Studierendenküchen, das Kochbuch mit dem Löffel vorne drauf, in dem selbst Kartoffel- und Eierkochen erklärt wird. Im Buch standen einige Rezepte, die ich bis heute zubereite – das Kartoffelgratin zum Beispiel. Ich habe nie wieder eine bessere Anleitung bekommen als die ganz schlichte und unaufwendige aus diesem Buch: eine Auflaufform mit einer Knoblauchzehe einreiben, hauchdünne Kartoffeln fächerförmig aufschichten, viel Salz, wenig Pfeffer, mit Sahne übergießen und backen. Derartig einfache Gerichte schmeckten sogar mir Glutamatjunkie, aber zu viel mehr reichte es nicht. Vielleicht auch, weil ich nur «richtig» kochen wollte, wenn mehr als meine Wenigkeit am Tisch saß. Ich erinnere mich daran, des Öfteren Freunde und Freundinnen eingeladen zu haben, und die bekochte ich auch groß – meistens mit, logisch, Kartoffelgratin, einem Braten (im Löffelkochbuch steht ein idiotensicheres Rezept für eine Lammkeule in Kräuterkruste), einer Suppe und Nachtisch. Dazu gab es irgendeinen Supermarktwein, den ich kaufte, weil mir das Etikett gefiel, und ich glaube, es hat meistens auch allen geschmeckt.
    Trotzdem kochte ich für mich alleine nie so üppig beziehungsweise überhaupt irgendwie, und diese Einstellung kannte ich auch von vielen Freunden und Freundinnen. «Ach, für mich alleine lohnt sich der Aufwand doch gar nicht.» Ich möchte hiermit meinem jüngeren Ich zurufen: Für wen, wenn nicht für dich, lohnt sich überhaupt ein Aufwand? Natürlich macht es Spaß, andere mit gutem Essen zu beglücken, aber, und ich weiß, dass das egoistisch klingt, es macht noch viel mehr Spaß, sich selber glücklich zu machen. Aber auch das weiß ich erst seit kurzem, denn damals verschwanden die Auflaufform und der Bratentopf von Oma wieder in den Schränken, sobald die Gäste weg waren, und ich schob die nächste Fertiglasagne in den Ofen.
     
    Mit dieser Kochunfähigkeit funktionierte natürlich auch nie eine Diät. Immer wenn ich turnusmäßig mal wieder auf Kalorien oder Fett oder Kohlehydrate oder was auch immer gerade der Fiesling des Tages war, der uns dicker werden lässt, geachtet habe, tat ich das, indem ich mir die Inhaltsstoffe auf Fertigprodukten durchlas. Sehr clever. Beknackt wie mein Kopf und ich nun mal waren, futterte ich einerseits, als gäbe es kein Morgen mehr, nur um dann an ebendiesem Morgen, das überraschenderweise doch kam, vor dem Spiegel zu stehen, mich scheiße zu finden und zu beschließen, dass ich
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