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Nudeldicke Deern

Nudeldicke Deern

Titel: Nudeldicke Deern
Autoren: Groener Anke
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dumme Idee, denn sobald ich einmal meine zwanghafte Sichtweise aufs Essen abgelegt hatte («Das darfst du nicht, und das darfst du nicht, und das darfst du erst recht nicht»), fand ich sie nicht mehr wieder. Es war aber auch zu schön, endlich mal wieder ein Croissant zu essen, ohne daran zu denken, ein Drittel des Tagepunktebudgets schon morgens verfuttert zu haben. Es war so schön, einfach abends mit Kolleginnen wegzugehen, ohne davor den ganzen Tag zu hungern, weil ich ja wusste, dass ich abends zwei Gläser Wein trinken und vielleicht eine Kleinigkeit essen würde. Und es war so schön, statt eine Stunde auf dem Laufband rumzurennen, damit ich noch einen Bissen mehr essen konnte als im Plan vorgesehen, auf dem Sofa zu liegen und zu lesen, ohne sich schlecht zu fühlen, weil ich eben las, anstatt zu schwitzen. Und auch hier möchte ich meinem jüngeren, diätkranken Ich von vor ein paar Jahren zurufen: ES IST VÖLLIG NORMAL , DASS MAN EIN CROISSANT ISST ! Es ist keine Sünde, und du musst dich nicht dafür scheiße finden. Und es ist ebenfalls völlig normal, auf dem Sofa rumzulungern, anstatt ins Fitnessstudio zu gehen. Das machen eine Menge schlanker Menschen auch, nur wird es denen lustigerweise nicht vorgeworfen. Dieses Verhalten – ich esse, worauf ich Hunger habe, wenn ich hungrig bin, und ich bewege mich, wenn ich Lust dazu habe – nenne ich normal. Ich nenne es normal, auf mich, meine Launen und meinen Hunger zu hören und ihnen zu folgen. Ich nenne es nicht normal, jeden Tag nach Plan zu essen, nach Plan Sport zu treiben und sich bei jeder Abweichung zu fühlen, als wäre ich ein verurteilter Massenmörder. Ich habe niemanden umgebracht, ich habe ein Croissant gegessen. Und niemand sollte sich wegen eines Blätterteigteilchens schuldig fühlen.
     
    Du ahnst, wie die WW -Geschichte endet: Ich habe in sechs Monaten 25 Kilo abgenommen und sechs Monate später alles wieder draufgehabt. Mit Bonuskilos. Zu WW -Zeiten musste ich notgedrungen kochen, denn so ziemlich jedes Fertiggericht sprengt den Punkterahmen. Da ich aber nicht gut kochen konnte, hat es mir meistens auch nicht gut geschmeckt (noch ein Grund mehr für meine schlechte Laune). Deswegen war die erste Fertigpizza ohne Punktezählen auch eine Offenbarung an Geschmack, auch wenn ich heute weiß, dass der aus dem Labor kam und nicht von freundlichen Bauern und Bäckerinnen. Damals konnte nichts einen solchen Glückskick wie Glutamat und pures Fett auslösen. Und so blieb ich dick und unglücklich, hielt mich und meinen Körper für unfähig, undiszipliniert und ekelhaft und war irgendwann resigniert genug, um über eine Mail von meiner Freundin Lu nicht mal lange nachzudenken. Lu heißt eigentlich Silke und arbeitet unter anderem als Ernährungsberaterin. Normalerweise mag ich keine Menschen, die mir erklären, wie ich essen soll, aber Lu kennt mich seit Jahren und weiß, dass Futter und ich uns so richtig doof fanden. Deshalb bot sie mir an, mir Essen neu beizubringen, um unser Missverhältnis wieder ins Lot zu kriegen. Meine Mail-Antwort klang ein bisschen pseudoenthusiastisch:
     
    «Der Kerl [8] und ich würden sehr gerne auf dein Coaching-Angebot zurückkommen. Ich traue mich so selten an Neues ran, und daher würde ich mir wünschen (wahrscheinlich naiv, aber vielleicht ja nicht), Essen neu für mich zu entdecken. Neue Zutaten kennenzulernen, anders einzukaufen als immer im Supermarkt, mal was auszuprobieren, woran ich noch nie gedacht habe. Und genau das würde auch den Kerl interessieren. Wenn du also vielleicht in der zweiten Augusthälfte Lust und Zeit auf uns/für uns hättest …?
    Jetzt schnell abschicken, bevor ich es mir anders überlege.
    Anke»
     
    Ich versprach mir davon nicht viel und dachte wahrscheinlich nur, sag ja, dann nervt sie dich nicht mehr. Also sagte ich ja, Lu kam vorbei, und wir fingen an zu kochen. Und nach nur vier Tagen war alles anders.

Blogeintrag 25. August
    Gut essen, Tag 1 (und ein halber Tag 0)
    Sonntag, Mittag. Ich stehe im Stau am Hamburger Dammtor und hoffe, trotzdem noch rechtzeitig zum Bahnhof zu kommen, um Frau Lu abzuholen, die sich ein paar Tage beim Kerl und mir einnisten wird. Nicht nur, weil’s nett ist, sondern auch, weil wir ihr Geld dafür zahlen, damit sie uns ein bisschen besseres Essen beibringt. Wir sind sehr gespannt, haben brav eine Woche Ernährungstagebuch geführt und werden das wahrscheinlich im Laufe der Woche um die Ohren gehauen bekommen.
     
    Sonntag, Nachmittag. Erst
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