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Nudeldicke Deern

Nudeldicke Deern

Titel: Nudeldicke Deern
Autoren: Groener Anke
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noch ausgiebig rumnölen werde –, war ich zwar am oberen Ende des Spektrums, das heute als normal gilt (dieses Spektrum ändert sich ja gerne mal ohne Sinn und Verstand), aber ich war noch drin. Ich – war – nicht – zu – dick, verdammt nochmal. Und deswegen verdienen so ziemlich alle Ärzte und Ärztinnen meiner Jugend, die meinten, ich sollte abnehmen, nachträglich was hinter die Ohren. Mit Schmackes.

[zur Inhaltsübersicht]
Ich werde erwachsen. Mein Gaumen leider nicht
    Dass die Pubertät eine einzige Nerverei ist, wird wahrscheinlich jede bestätigen, die sie hinter sich gebracht hat. Der Körper verändert sich, und was eigentlich eine tolle Sache ist (Brüste!), wird auf einmal zum ganz persönlichen Kriegsschauplatz. Es gehört inzwischen leider zum Erwachsenwerden von Mädchen dazu, über Diäten ähnlich gut informiert zu sein wie über Bands oder Kinostars. Freundinnen vergleichen sich nicht mehr wertfrei – falls sie das jemals getan haben –, sondern kommentieren die Frauwerdung mit «Boah, bin ich dick geworden», wenn aus dem staksigen Kinderkörper allmählich etwas Weicheres, Fraulicheres wird, das nun mal über ein paar Fettreserven für eine jetzt mögliche Schwangerschaft verfügt. Dummerweise wird dieser neue Körper nicht als etwas Neues, Wunderbares wahrgenommen, auf das man stolz sein kann, sondern als etwas, das man kontrollieren muss. Auch Kinder fangen schon an, genauso bescheuert zu denken wie ihre Eltern. 42 Prozent aller sechs- bis neunjährigen Kinder in den USA finden sich zu dick. [4] Sechsjährige, die meiner Meinung nach töpfeweise Apfelmus essen und schwimmen gehen sollten anstatt über imaginäre Fettpolster nachzudenken. Kinder, die vermutlich nicht zu dick sind, wie andere Studien belegen, in denen sich vier von zehn Schülerinnen als zu dick einschätzten, obwohl jede Dritte untergewichtig war. [5] Und dieses verquere Denken legt sich nicht mit dem Erwachsenwerden, sondern es wird schlimmer: Zwei Drittel aller 15-jährigen Mädchen in Australien machen gerade (wieder?) eine Diät. [6] Wahrscheinlich ebenfalls, ohne wirklich übergewichtig zu sein. Sie
glauben
nur, sie seien zu dick. Genau wie ich damals geglaubt habe, zu dick zu sein, und es nicht war.
     
    Blöderweise kann ich das für die Zeit zwischen Abitur und meinem 40. Geburtstag nicht mehr behaupten. Denn sobald ich von zu Hause weg war und einen eigenen Kühlschrank hatte, war der immer voll. Mit Schrott. Den ich in Mengen gegessen habe. Zum ersten Mal in meinem Leben guckte mir niemand mehr beim Essen zu; niemand sagte mir mehr, was ich darf und was ich nicht darf, welches Essen gut ist und welches böse. Ich hatte auch schon bei meinen Eltern mein Taschengeld in Süßigkeiten angelegt, aber jetzt, wo niemand mehr mitbekam, was so leergefuttert in die Mülltüte wanderte, verlor ich jedes Maß und habe gegessen, gegessen und nochmal gegessen. In meinem Kopf war das egal; ich war ja eh schon fett (das dachte ich jedenfalls), dann konnte ich ja noch mehr essen.
     
    Meine Völlerei hatte sicher noch andere Gründe; viel zu viel zu essen ist genauso psychologisch begründbar wie viel zu wenig zu essen [7] , aber das möchte ich hier in diesem Rahmen nicht erörtern. Bleiben wir dabei: Ich habe schlicht zu viel gegessen. Leider kein Gemüse mehr von Oma, das verarbeitet werden musste, sondern Fertigprodukte, die, wie der Name schon sagt, eben fertig waren. Tiefkühlpizza. Tiefkühllasagne. Eis in 500-Milliliter-Bechern. Ich kann mich noch an einen perfiden Fertig-«Kuchen» erinnern: Er bestand aus zwei postkartengroßen Keksen, die ein bisschen nach Bundeswehr-Feldration aussahen. Die legte man in eine Pappschachtel, die man aus der Produktverpackung falten konnte. Darauf kam eine Quarkmischung, die man anrühren musste, und darauf eine Portion Kirschen (die wahrscheinlich nicht mal welche waren, sondern aromatisiertes Irgendwas), die ebenfalls schon vorgefertigt in der Packung lagen. Das ganze musste einige Zeit im Kühlschrank fest werden und war dann von geübten Esserinnen wie mir in zehn Minuten zu verschlingen. Schokolade war natürlich auch immer dabei, und so nahm ich innerhalb eines Jahres 25 Kilo zu.
     
    Vielleicht hätte ich nicht so viel zugenommen, wenn ich gekocht hätte. Meine Mutter hat mir zwar ein paar grundsätzliche Dinge beigebracht, aber eine richtig gute Köchin war sie nie, und sie hat das auch, laut eigener Aussage, nie gerne gemacht. Ihre Mutter war zu ungeduldig, als
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