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Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter

Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter

Titel: Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter
Autoren: Damian Raye
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vielleicht ein exotischer Kranich oder ein Schwan, flogen unter einem hohen Himmel eine weite Allee entlang, deren Bäume auf Annes Seite prächtig erblühten, auf der anderen aber abstarben, wenn Nox an ihnen vorüber kam. Weit vor ihnen lag – noch getrennt durch einen Meeresarm – die Insel des Schwarzen Palastes, auf der die Garde der Verdammnis Stellung bezogen hatte, eine Parade des Grauens, die sie passieren mussten, bevor sie den Altar erreichten. Glühende Schwerter reckten sich gegen den Himmel, raue Stimmen grölten Kampflieder, die jeden Feind in die Flucht schlagen konnten, eher die Laute einer Horde von Ungeheuern als Gesang. Trommelschläge zitterten durch Annes ganzen Körper, schrille Flöten aus härtestem Metall zerschnitten den Äther und hätten selbst die Sirenen zu Stein erstarren lassen.
     
    Welch furchtbare Streitmacht Nox Eterna besaß! Nur ein Krieger war bereit, für Anne einzutreten, Alan Gennes – die Buchstaben seines Namens leuchteten vor Annes Augen auf …
     

     
    … mischten sich miteinander bis
     

     
    … zu lesen war. Ihr Name, ein Siegel? Zwei Buchstaben waren nicht einzuordnen, nach ihren Regeln bedeutete das also nichts. Keine Hoffnung auf Rettung durch Alan? Anne ärgerte sich über sich selbst, über ihre Erwartung auf einen Standardtraum, auf eine billige Inszenierung. Rettung von der Stange!, dachte sich Annes wacher Verstand. Hier das schwarze Böse, dort der Ritter auf dem weißen Pferd. Warum finden unsere Seelen keine anderen, immer nur wieder dieselben abgenutzten Bilder? Es fehlt nur noch, dass Alan auf dem besagten weißen Ross geritten kommt und sie, seine Braut, nach der Hochzeit in sein Königreich entführt.
     
    Die Hochzeit als Lösung aller Probleme ...
     
    Der riesige schwarze Vogel landete auf den glatten Steinen vor einem Altar, sie stiegen die Stufen hinauf. Oben stand Alan – ohne weißes Pferd, aber in diesem Augenblick wurde Anne klar, dass es sich hier tatsächlich um eine Hochzeit handelte, aber nicht unbedingt nur um ihre eigene. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie ein Brautkleid trug, dasselbe wie Nox, nur dass ihres weiß und das der Herrscherin der Nacht schwarz war… Nichts Neues, dachte Anne müde, weiß gleich gut, schwarz gleich böse …
     
    Es gab einen Bräutigam, aber – zwei Bräute. Alan würde wählen müssen, aber sie war sich sicher, wie er sich entscheiden würde.
     
    Die weiteren Ereignisse entsprachen anfangs ihrer Erwartung: Alans Hand hielt einen Ring. Immerhin kein geschmackloses Machwerk mit gewaltigem Stein, konstatierte ihre kritische Intelligenz, ein simples goldenes Band. Ihre Gefühle spielten verrückt, außerhalb aller Kontrolle war ihr zum Jubeln zumute, Freudenschreie warteten auf ihren Einsatz, sie hätte tanzen können vor Glück, ein Glücksgefühl, das sich viel zu heftig in ihre Brust presste, ein Schuss Euphorie, Produkt einer neuen, bisher unbekannten, aber bestimmt nicht ungefährlichen Droge ...
     
    Ein Priester sprach die Formel, der Missklang der Kriegsgesänge hatte sich unmerklich in einen feierlichen symphonischen Klangteppich verwandelt, der aber in einzelnen Augenblicken quälende Misstöne und Dissonanzen enthielt.
     
    Alan stand aufrecht und mit gefassten Zügen neben den beiden ungleichen Frauen. Er sah zuerst Anne, dann Nox mit ernstem Blick an, seine Augen wanderten zurück zu Anne, er lächelte – und steckte Anne den Ring an den Finger, umarmte sie.
     
    „Ich werde mein Leben lang bei dir sein!“ sagte Alan und küsste sie.
     
     Der Priester hatte sich mittlerweile ein paar Schritte entfernt. Er murmelte seltsame Formeln, die sich erstaunlich exakt in die dunkle Symphonie der Krieger fügten, als seien sie deren Text, als gehörten sie zu einem Jahrtausende alten Ritual.
     
    Etwas sehr Böses lag in der Luft, die, von Nox her kommend, einen überstarken, süßlich faulen Duft trug, den Anne bisher nicht bemerkt hatte. Auch das Licht hatte sich verändert, war Teil der Inszenierung geworden, die eines ganz und gar nicht war: eine ganz alltägliche, glückliche Hochzeit.
     
    Anne wollte das nicht wahrhaben, verdrängte alle Bedenken, erstickte ihren Verstand. Ihr Herz wollte jauchzen, lachen.
     
    Gleichgültig, was und wie es hier ablief: Das also war ihre Hochzeit! sagte sie sich, um sich ihres Glücks zu vergewissern. Sie hatte Nox Eterna, ihre furchtbare Schwester, besiegt, hatte Alan für sich gewonnen! Ihre finstere Seite würde nun keine Macht mehr über sie
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