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Nore Brand 03 - Racheläuten

Nore Brand 03 - Racheläuten

Titel: Nore Brand 03 - Racheläuten
Autoren: Marijke Schnyder
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man darin lesen. Summa wäre auch möglich gewesen, wenn es denn hätte sein müssen. Aber warum so früh im Leben schon sämtliche Qualitäten offenlegen? Man hatte schließlich noch das ganze Leben vor sich für Höchstleistungen.

    Nore Brand schüttelte sich und vergrub sich noch tiefer in den Daunen.

    Der Chef hatte auf der Stelle verfügt, dass alle Mitarbeiter ihr Wissen auffrischen und aktualisieren mussten. Es gab kein Entkommen, alle mussten an ihren kriminalistischen Kompetenzen feilen.
    Nur einer freute sich. Nino Zoppa. »Neue Elektronik? Mega!«

    So kam es, dass der smarte Kollege von der Police Academy Nore Brands Fall übernehmen musste, damit sie sich ein paar Tage auf die neuesten wissenschaftlichen Ermittlungsmethoden konzentrieren konnte. Mister Police Academy hatte ihren Fall mit Handkuss übernommen.

    Der junge Finanzchef einer traditionellen und neuerdings wieder aufstrebenden Berner Firma war tot aufgefunden worden. Brisant an der Sache war, dass es sich bei ihm um den Enkel des Firmenbesitzers handelte. Doch die Ermittlungen wollten nie richtig in Fahrt kommen und liefen plötzlich auf wie ein unbeweglicher Kutter auf einer Sandbank. Das erzählte man sich hinter vorgehaltener Hand, mit größter Schadenfreude selbstverständlich.
    Trotzdem berief man eine Pressekonferenz ein. Der Chef hatte dem Druck nachgegeben, um der Sache vorläufig ein Ende zu setzen. Der Kollege von der Academy saß vor einem Wald von Mikrofonen und erklärte cool und geschliffen, wie sich dieser junge Finanzdirektor das Leben genommen habe. Eine tragische Angelegenheit. In der Hosentasche habe man Spuren von Antidepressiva gefunden.
    »Das ist ja weitherum bekannt. Zu viele Menschen ertragen den Gedanken an den Herbst nicht. Auch Federico Meier hat seinem Leben ein Ende gesetzt«, erklärte der Neue mit bedeutungsvollem Unterton.
    Seltsamerweise entfesselte sich in genau dem Moment, wo er diese düstere Erklärung abgab, der erste heftige Herbststurm. Eine Böe peitschte Regen an die Fenster, dass es krachte.
    Der Mann hatte die Geistesgegenwart gehabt, kurz innezuhalten. Es war plötzlich dunkel geworden im Raum. Alle schauten zu den Fenstern hin und nickten einander zu. Kein Wunder, dass manchen Menschen dabei die Lust am Leben verging. Diese Jahreszeit hatte es in sich.
    Die Blicke gingen wieder nach vorn zum Rednerpult, wo die dunkle Krawatte des Police Academy-Absolventen für die Seriosität der Ermittlungen und die Aufrichtigkeit seiner Ausführungen bürgte. Als er mit seinen Ausführungen zu Ende war, nickten alle. Es leuchtete jedem ein, dass bei Selbstmord keine Ermittlungen notwendig waren.

    Der Fall hatte Aufsehen erregt, weil die Art und Weise, wie dieser junge Mann seinem Leben ein Ende gemacht hatte, erstaunlich war. Vor allem der Ort, wo er die letzten Augenblicke seines traurigen Lebens verbracht hatte.
    Man hatte ihn im Bärengraben tot aufgefunden, dort, wo noch vor wenigen Jahren die Bären der Stadt gelebt hatten. Halb saß er, halb lag er da an der kalten und feuchten Mauer, den Kopf auf der Brust, die Pistole war ihm aus der Hand gerutscht.
    Eine Kugel fehlte im Magazin. Der Gerichtsmediziner brauchte nicht lang, um sie zu finden.
    Man unterstrich, dass es sich bei der Waffe um das Eigentum des Toten handelte, dass sie registriert war, und unterschlug die Tatsache, dass die Spurensicherung einen Fehler gemacht hatte. Ein erschrockener Assistent der Spurensicherung hatte die Waffe geputzt, weil er den blutigen Anblick nicht ertragen konnte.
    Es kam nicht selten vor, dass einer die Nerven verlor und in der Folge völlig hirnlose Dinge tat. Doch der Schauplatz beschäftigte und verwirrte die Menschen derart, dass es keinem in den Sinn kam, nach Fingerabdrücken oder anderen Spuren zu fragen. Der Ort und die Umstände waren vorerst dramatisch genug.
    Man überlegte sich zwar, wie denn dieser arme Kerl in den Graben gekommen war. Dem einen und anderen schien das eine knifflige Sache. Doch das allgemeine Publikum beschloss dann, die Erklärungen herzunehmen, als wäre es fast zu erwarten gewesen, dass sich mal einer aus Lebensüberdruss mit der Pistole in der Hand auf den Mauerrand des alten Bärengrabens setzen würde.
    Es war wieder Herbst, und man erinnerte sich an seine unheilvollen Auswirkungen auf das menschliche Gemüt. Man verweilte kurz bei diesen Gedanken und ging dann rasch wieder zu den Geschäften des Tages über, und am nächsten Tag hatten die Zeitungen neue Geschichten zu
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