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Nordseefluch: Kriminalroman

Nordseefluch: Kriminalroman

Titel: Nordseefluch: Kriminalroman
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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Ekinger grinste. »Überstunden!«, sagte er.
    »Ja, auf eigene Kosten. Ich komme zurück«, sagte ich. Ich verließ das Zimmer, stieg in meinen Wagen und fuhr zur Schule. Mit dem Hausmeister verstand ich mich gut. Wir saßen oft abends vor oder nach meinen VHS-Kursen für ein oder zwei Zigarettenlängen beisammen, redeten über Privates oder Dienstliches.
    Der Schulparkplatz war fast voll besetzt. Die Schule gehörte zu dieser Stunde den Besuchern der Volkshochschule, die über die Gänge schritten. Der Hausmeister saß im Lehrerzimmer am gewohnten Tisch, trank Kaffee aus einem Pappbecher und erhob sich.
    »Einen Kaffee?«, fragte er und zog mir eine Portion des Automatenkaffees.
    »Jupp«, sagte der Mann, der gut zehn Jahre älter war als ich, »es tut mir leid, aber der Chef will, dass das Fach morgen leer ist. Es wird für den Neuen gebraucht.«
    »Ich weiß«, sagte ich und trank den wässrigen Kaffee.
    »Jupp, habt ihr herausbekommen, weshalb sich Stinga aufgehängt hat?«, fragte er mich.
    Ihm lag viel an der Antwort. Er und mein Kollege waren Kinder dieser Landschaft, und was für Stinga die Schafe, das waren für den Hausmeister die fünfundzwanzig Bienenvölker, die er im Frühsommer in die weiten Rapsfelder fuhr.
    »Die Kripo hat sich schon einem Motiv genähert und es scheint so, als könnte Habbos Selbstmord mit den mysteriösen Verbrechen auf Juist zusammenhängen«, antwortete ich. »Aber auf Einzelheiten darf ich nicht eingehen, da die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind.«
    Wir rauchten eine Zigarette.
    »Meistens bewahren die Lehrer in ihren Schließfächern Protokolle und Schulbücher auf, die sie nicht ständig einsetzen«, sagte der Hausmeister. »Ich habe aber auch schon erlebt, dass sie hohe Beträge für Klassenfahrten dort sträflich leichtsinnig deponierten.«
    Er drückte die Zigarette aus, schluckte den Rest aus dem Pappbecher und fragte: »Beginnen wir?«
    Ich nickte, denn ich wollte schnell zurück, da wir im Haus des Kommissars kurz vor der Lösung einiger Fragen zu stehen schienen.
    Der Hausmeister schritt an das Fach, wählte aus seinem Schlüsselbund den Universalschlüssel und steckte ihn in das Schloss, das hell glänzend mitten in der Plastikbeschichtung saß.
    Ich trank den Becher leer, drückte die Zigarette aus und näherte mich ihm, um den dürftigen Inhalt des Fachs zu bestätigen. Ich schaute zu, wie er Bücher, Briefe und Blätter auf den Tisch legte.
    »Für die Nachwelt ist das wertloser Plunder«, sagte ich.
    Der Hausmeister schob den Stapel zusammen.
    »Gut«, sagte ich, »dann kann ich gehen. Stell eine Liste zusammen. Morgen unterschreibe ich.«
    Er nickte und sortierte die Bücher und Drucksachen.
    Als ich mich der Tür des Lehrerzimmers näherte, vernahm ich seine Stimme.
    »Jupp, ein Brief! Stinga hat ihn für dich hinterlegt!«
    Ich zuckte zusammen und eilte ihm entgegen. Er reichte mir den weißen Umschlag.
    Ich las: Kollege Jupp Färber, Personalratsvorsitzender.
    »Das ist allerdings seltsam«, sagte ich überrascht, steckte den Brief in meine Sommerjacke und rief nur: »Tschüss!« Ich wusste nicht, ob er bemerkt hatte, wie sehr mich der Brief elektrisiert hatte.
    Ich suchte meinen Wagen auf, stieg ein und fuhr los, um so schnell wie möglich zu Kommissar Pietsch und Kriminalassistent Ekinger zurückzukehren. Die Sonne hatte ein tiefes Rot hinterlassen, in dem sich weiße Wolken auflösten. Ich drosch den Wagen über die unbelebte Küstenstraße an dem mich ständig begleitenden Deich entlang.
    Kommissar Pietsch stand bereits wartend vor der Tür. Das Geräusch meines Wagens hatte ihn hervorgelockt. Er schaute mich neugierig an.
    »Vielleicht der vermisste Abschiedsbrief«, sagte ich, folgte ihm ins Haus und ließ mich vor dem Kamin nieder.
    Heiko Ekinger musterte mich neugierig und griff zum Bier.
    »Na, dann schießen Sie mal los!«, meinte der Kommissar und setzte sich an den Tisch.
    »Das Schließfach Stingas enthielt neben dem üblichen Lehrerkram einen Brief, den der Kollege an mich adressiert hat, weil ich der Personalratsvorsitzende bin.«
    »Donnerwetter«, sagte der Kommissar.
    Er stand auf, warf frische Scheite auf das Feuer und schaute mich an wie ein Jäger, der eine verlorene Spur wiederentdeckt hatte. Sein gewaltiger Schnurrbart geriet in Bewegung.
    »Was enthält der Brief?«, fragte Heiko Ekinger. Er saß mit seiner wuchtigen Körpermasse angespannt im Sessel, so, als warte er auf einen Startschuss.
    »Ich habe ihn noch nicht
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