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Nonnen

Nonnen

Titel: Nonnen
Autoren: Michael Siefener
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herauszugeben. Niemand außer ihm selbst konnte
die richtigen Gefühle während des Lesens haben. Es war
eine Entweihung. Herr Bandmann fuhr fort: »Mir sind wahre
Schauer über den Rücken gelaufen. Aber mal im Ernst:
Sie können schreiben. Sehr gut sogar. Sie brauchen sich
nicht hinter den berühmten Autoren zu verstecken.«
    Das wollte Benno auch gar nicht. Er hatte nichts mit ihnen
gemein. Jene schrieben, um reich zu werden und zu bleiben, und
Benno schrieb, um das, was in ihm war, zu fassen und zu
bannen.
    Herr Bandmann sagte: »Haben Sie schon einmal versucht,
einen Verlag für Ihre Geschichten zu finden?«
    »Nein«, antwortete Benno wie beiläufig,
»es sind zum einen noch nicht viele, und zum anderen glaube
ich kaum, daß es dafür einen Markt gibt. Ich kann mir
nicht vorstellen, daß sich noch jemand anderes außer
mir dafür interessieren sollte.«
    »Nun, ich tue es doch«, ermunterte ihn Herr
Bandmann.
    »Da sind wir schon zwei«, erwiderte Benno
sarkastisch, machte dann jedoch einen Rückzieher.
»Verzeihen Sie mir, ich wollte Sie nicht beleidigen. Ich
zweifle nicht an Ihrem Geschmack, aber meine Geschichtchen sind
einfach zu altmodisch für unsere Zeit. Ich muß mich
hinter King und den anderen verstecken. Was sie schreiben, trifft
den Nerv der Zeit, nicht das, was ich schreibe. Das trifft nur
einen Nerv in mir.«
    »Ich verstehe Sie nicht«, sagte Herr Bandmann.
»Weshalb schreiben Sie dann, wenn Sie nicht berühmt
werden wollen? Wollen nicht etwa alle Schriftsteller berühmt
werden?«
    Es hatte keinen Sinn. Benno sagte: »Ich schreibe nur
für mich. Betrachten Sie es als mein Hobby.«
    »Darf ich dann und wann an diesem Hobby
teilhaben?« bettelte Herr Bandmann.
    Benno überlegte, ob er diese Bitte erfüllen sollte.
Sein Kollege verstand nicht, wovon die Geschichten handelten. Sie gruselten ihn! Aber er wollte ihn nicht ungnädig
stimmen, schließlich sah er ihn täglich, und da konnte
einer dem anderen das Leben zur Hölle machen. So gab er ihm
am nächsten Tag alles, was er bereits geschrieben hatte, in
der Hoffnung, nun Herrn Bandmann für lange Zeit
beschäftigt und ruhig zu sehen. Und so war es. Herr Bandmann
gab Zwischenberichte seiner Begeisterung und fühlte sich
offenbar geschmeichelt, von Benno ein so großes Vertrauen
erwiesen zu bekommen. Doch Benno hörte meist nicht darauf,
was sein Kollege sagte. Er war mit einer neuen Geschichte
befaßt, einer Geschichte, die es ihm wie kaum eine andere
zu erlauben schien, in sie hinabzutaucheh und das Leben der
Hauptperson zu leben. Die Idee dazu war ihm auf dem Friedhof
Melaten gekommen. Er schlenderte gern über diesen alten
Friedhof. Hier fand er Ruhe, und die unzähligen
Grabstätten gaben ihm die Zuversicht, daß auch seine
Ängste nicht ewig währten. Er betrachtete die
Grabinschriften mit der Liebe eines Trauernden, der die Toten
versteht und bewundert.
    Viele weiße Bänke luden zum Verweilen ein, und es
geschah oft, daß Benno in den Sommermonaten nach
Dienstschluß mit einem Buch hierherkam – er wohnte
nicht weit entfernt – und blieb, bis die Glocke zum
Verlassen rief. Ja, hier würde ein Teil der Handlung
spielen, es gab keinen besseren Ort, keinen Ort, den Benno besser
kannte. Er fragte sich, weshalb er ihn nicht schon früher
benutzt hatte. Doch er hatte die beiden Grabsteine, so weit
voneinander entfernt und doch auf eine geheime Weise scheinbar
miteinander verbunden, erst vor wenigen Tagen durch Zufall
entdeckt; er hatte sich verlaufen, und als er abends vor dem
Fernseher saß und sich von einem Krimi fesseln zu lassen
versuchte, wuchs eine Idee in ihm.
    Lange war er sich nicht sicher, ob diese Idee eine Geschichte
tragen konnte, doch je mehr er darüber nachdachte, desto
sicherer wurde er. Ja, es war soweit. Eine neue Erzählung.
Er freute sich wie ein Kind, und in den Gedanken darüber
machte er sich von der Welt los.
    Nun galt es, den Ort und die Personen der Rahmenhandlung
zurechtzulegen. Benno stellte sich eine Gesprächssituation
vor. War das möglich? Schon zu oft hatte er ähnliches
gelesen. Einige Leute sitzen zusammen, unterhalten sich –
und da gab es schon die erste Schwierigkeit. Worüber
unterhalten sie sich? Er saß fast nie ›in froher
Runde‹ mit anderen, und er haßte diese
oberflächlichen Gespräche, bei denen es nur darauf
ankam, den Mund zu bewegen und unsinnige Töne von sich zu
geben. Das wäre also die erste Schwierigkeit. Und wo
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