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Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Titel: Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)
Autoren: Eric T. Hansen
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mehr. Ein Nachttisch wird halt manchmal unordentlich. Er sagt aber nichts. Demonstrativ nichts. Er bringt mir morgens den Kaffee ans Bett, ich höre ihn kommen, er schaut auf den Tisch und steht nur da, ohne die Tasse abzusetzen. Ohne ein Wort. Nur ein paar Sekunden, aber ich weiß sofort Bescheid.«
    Glauben Sie nicht, dass nörgeln nichts bewirkt. Wenn ein Paar zum Therapeuten geht, muss es oft hören, dass solch ein Verhalten in einer Beziehung »unproduktiv« sei und niemals das erwünschte Ziel erreicht. So wollen sie unschuldigen Paaren das Rummäkeln austreiben. Hören Sie nicht auf Sie! Denken Sie lieber an Cato den Älteren, der in Rom, 150 Jahre vor Christus, in jeder, aber wirklich jeder Senatssitzung seine Reden, egal, worum es eigentlich ging, mit den Worten beendete: Ceterum censeo Carthaginem esse delendam (Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss). Endlich hielt der Senat die fortgesetzte Krittelei nicht mehr aus, und Karthago wurde zerstört. Folgenreicher kann Nörgelei gar nicht sein. Merken Sie sich das für Ihre nächste paartherapeutische Sitzung.
    Im Gegensatz zu Sehkraft, sexueller Leistung und den Fähigkeiten von Telekommunikationsfirmen, die ihre Dienste billig anbieten, entwickelt sich das Nörgeln immer weiter, je älter wir werden. In einer Langzeitstudie hat das Institut für Sozialforschung an der Universität Michigan 800 Menschen zu ihren Lebenspartnern befragt. Das Ergebnis: Je älter sie waren, desto schlimmer fanden sie ihren Lebenspartner, und desto ungehemmter teilten sie das dem anderen auch mit, dem Arsch. »Je älter man wird und je mehr man sich aneinander gewöhnt, umso besser sind wir in der Lage, uns gegenseitig mitzuteilen, was wir empfinden«, erläuterte Kira Birditt, Leiterin der Studie, diesen Tatbestand.
    Ulrike A., Dokumentarfilmerin und Nörgelforscherin mit ungewöhnlicher Beobachtungsgabe, hat solch ein glückliches älteres Paar ausfindig gemacht, und mir bei einem gemütlichen Abend davon berichtet:
    »Die Eltern meiner Freundin Kerstin freuen sich richtig, wenn Besuch kommt«, sagte sie, »weil sie dann wieder einmal öffentlich übereinander herziehen können. Sie lieben es vor Publikum, das ist noch viel besser als alleine. Sie brauchen das Gezänk wie die Luft zum Atmen. Und es geht nur unter die Gürtellinie. Er macht ihr klar, sie sei dumm und schusselig. Sie hält dagegen, er sei cholerisch und fett, und sie habe ihre besten Jahre als Dekoration an seiner Seite verschwendet. Ihre Bomben schießen sie mit besonderer Treffsicherheit aus dem Hinterhalt ab, und der Gegenschlag tut immer weh. Das ist so eine Familie, die ihre Befriedigung in der Herabsetzung sucht. Ihr Sinn für Humor ist es, im Beisein anderer den Partner gnadenlos runterzumachen. Sie kommen aus dem gehobenen Mittelstand und halten sich für ausgesprochen kultiviert, doch ihre ganze Kultur besteht nur aus Spott.«
    Nörgeln kann sogar eine Waffe sein, die karateartig einen ganz gewöhnlichen Menschen in eine Kampfmaschine verwandelt.
    »Ich war mal nachts mit meinem Freund unterwegs in Frankfurt am Main, es war schon spät und wir gingen zu Fuß zu seiner Wohnung, die mitten in der Fußgängerzone lag«, erzählte meine Freundin Ute A., Lektorin und langjähriger Nörgelfan, als wir uns zu einem Milchkaffee bei ihrem Lieblingsitaliener in der Kolonnenstraße in Berlin trafen. »Wir liefen eine ganze Weile durch dunkle, völlig ausgestorbene Geschäftsstraßen. Es war gespenstisch. Meine Absätze klackten auf dem Pflaster, das war das einzige Geräusch weit und breit. Doch auf einmal waren da andere Schritte. Hinter uns liefen zwei Typen, die plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht waren. Ich guckte mich verstohlen um und wurde nervös. Das waren athletische Amis, GIs, sie waren beide etwa einen Kopf größer als mein Freund, sie waren besoffen und sahen aus, als hätten sie kein Geld, aber Lust auf Ärger. Wir versuchten, uns extra normal zu benehmen und diskutierten zwanglos weiter. Die Typen aber kamen zügig immer näher, bis ich schon fast ihren Atem im Nacken spüren konnte. Ich weiß nicht, wie groß die Gefahr war, was sie wirklich vorhatten, aber sie wollten uns auf jeden Fall herausfordern. Sie liefen direkt hinter uns her in der menschenleeren Fußgängerzone, machten Sprüche über uns und wollten uns provozieren. Und mein Freund, der mir noch vor einer Woche angeboten hatte, als mich jemand auf der Tanzfläche anrempelte: ›Soll ich den für dich
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