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Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Titel: Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)
Autoren: Eric T. Hansen
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und fragte sie, ob man in ihrer Heimat ebenso gern mault und nölt wie hierzulande.
    »Es gibt eine Art Basismeckern in Deutschland«, beschrieb es der Kanadier Scott Roxborough, Journalist bei der Deutschen Welle. »Eine grundsätzliche Missbilligung von … na ja, von allem. Es ist nicht unbedingt so, dass man unglücklich ist – nur, dass man niemals erwarten würde, dass etwas Gutes passiert. Es ist diese Einstellung: ›Ich bin nicht so dumm, zu glauben, dass alles gut gehen könnte. Ich lasse mich nicht von dir verarschen, Welt.‹«
    Sachiko N., japanische Künstlerin und Büroangestellte in Berlin, war überrascht zu erfahren, was einen Deutschen alles verstimmen kann. »Deutsche ärgern sich sogar, wenn wir Japaner zu oft ›Danke‹ sagen«, erzählte sie, als wir uns auf ein Bier im Seidls trafen. »Das tun wir aus Gewohnheit. Ich versuche, es abzustellen, aber es passiert mir ständig. Ich sage ›Danke‹, und sie korrigieren mich. Sie sagen, ›du sollst nicht so viel Danke sagen‹. Dann antworte ich, ›oh, Entschuldigung!‹, und dann ärgern sie sich auch darüber.«
    Deutsche sind so sehr von der Unentbehrlichkeit des Meckerns überzeugt, dass sie es gelegentlich sogar ins Ausland zu exportieren versuchen.
    »Ich bin mal mit meiner Frau an den Gardasee gefahren« erzählte Francesco D’Angelo, der schwäbisch-italienische Betreiber des kleinen, aber feinen italienischen Stehbistros in der Kolonnenstraße in Berlin, als ich ihn eines Tages mit der Frage konfrontierte, ob Italiener anders nörgeln als Deutsche. »Wir wollten mit der Fähre über den See und standen in der Schlange, um Karten für das Schiff zu kaufen. Vor mir stand eine deutsche Familie und vor ihnen eine englische. Die Briten stellten dem Mann am Ticketschalter tausend komplizierte Fragen und brauchten so lange, dass das Schiff inzwischen abfuhr. Es hieß also fünfundvierzig Minuten warten, bis die nächste Fähre kommen würde. Die englische Familie fluchte: ›Shit, shit, shit!‹ Aber wer wirklich aufgeregt war, das waren die Deutschen: ›Doofe Engländer! Typisch italienisch hier! Wie konnten die nur ohne uns abfahren? Die sehen doch, dass wir warten!‹ Meine Frau und ich fanden das ganz normal: Das Schiff fuhr nach Fahrplan ab. Wir gingen also bis zur nächsten Abfahrt in aller Ruhe einen Cappuccino trinken. Vom Café aus hatten wir einen tollen Blick über den See, es war prima Wetter. Wir nahmen dann die nächste Fähre. Die Deutschen waren mit an Bord, und sie schimpften immer noch über die Engländer. Das war inzwischen fünfundvierzig Minuten her.«
    Über den ausgeprägten deutschen Nörgelnebel hatte mein Ausländer-Expertenausschuss einige Theorien.
    »Es ist eine Frage der Werte«, vermutete die Neuseeländerin Victoria J. per Telefon aus München. »In Deutschland ist Meckern ein Zeichen von Intelligenz. In Neuseeland ist es bloß ein Zeichen, dass du schlecht erzogen bist.«
    »Es steht hier nicht nur für Intelligenz, sondern auch für Durchsetzungsvermögen und überhaupt für eine starke Persönlichkeit«, stimmte ihr Scott zu. »Für uns ist Meckern Aggression, und das ist in Kanada nicht positiv. Wir lernen, dass wir immer versuchen sollen, nett zu sein. Von uns Kanadiern sagt man ja, dass wir uns sogar entschuldigen, wenn wir in einen Baum reinlaufen. So ist es überall in der englischsprachigen Welt. Das kommt aus Großbritannien. Es ist diese Sache mit der stiff upper lip . Wer sich beklagt, zeigt, dass er nicht allein mit der Situation zurechtkommt. Er zeigt Schwäche. Für Deutsche ist das umgekehrt: Wer nett und glücklich ist, ist geistig irgendwie zurückgeblieben, er sieht die Dinge nicht, wie sie wirklich sind.«
    »Als ich hierher kam, dachte ich lange, die Deutschen sind aber kindisch«, lachte Sachiko N. »Weil sie so schnell sagen, ›das ist Scheiße‹, und sich ihrer schlechten Laune überlassen. In Japan dürfen das nur Kinder. Bei den Deutschen sieht man sofort, wenn einer schlechte Laune hat. Selbst die Politiker in Deutschland sind wie Kinder. Sie zeigen sich sehr emotional, sie haben sehr wenig Kontrolle über sich. In den Talkshows im Fernsehen streiten sie miteinander, sie unterbrechen sich, und wenn einer seinen Satz zu Ende sprechen will, muss er sagen: ›Jetzt hören Sie mal zu, lassen Sie mich ausreden.‹ Als ich das zum ersten Mal sah, war es spannend, weil ich mitgekriegt habe, dass es Krach gibt. Ich war schockiert.«
    Carrie D. ist kanadische Journalistin und lebt in
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