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Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs
Autoren: Arto Paasilinna
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einem Sommer zu bauen, musste das mit heutiger Arbeitsin­ tensität doch auch gelingen.
    Fünf Zimmerleute und ein Gehilfe schufteten von morgens bis abends. Zwei, drei Männer behauten die Balken, zwei saßen auf den Winkeln, der Gehilfe machte Handlangerdienste, und Bauherr Toropainen leitete die Arbeit – wobei er auch mal half, die Balken zu den Zim­ merleuten hinaufzuheben –, oder er überprüfte die Maße oder rollte den Männern auf dem Holzplatz die Stämme zu. Der Frühling war schön und kühl, das bestmögliche Wetter für die Arbeit. Auf dem See schmolz das Eis, die Prachttaucher zogen ans andere Ende des Gewässers, die Kraniche überflogen den Kirchenhügel in Richtung Norden. Dabei schrien die etwa hundert langhalsigen Vögel laut über der Baustelle.
    Da die Kirche aus frischen Balken errichtet wurde, beschloss Eemeli Toropainen, den Fußboden erst ganz zuletzt einzunageln, damit die Frühlings- und Sommer­ winde das Gebäude zuvor austrocknen konnten. Der älteste Zimmermann, Severi Horttanainen, hatte erklärt, dass die Wandbalken unter Umständen morsch wurden, wenn sie vor der Fertigstellung des Fußbodens und des Daches nicht trockneten, oder sie wurden schief und knackten und knarrten bei schlechtem Wetter. Bei strengem Frost mache das Gebäude dann so schreckli­ che Geräusche, dass sich niemand darin werde aufhal­ ten mögen, zumindest nicht bei Nacht.
    Eemeli Toropainen sah davon ab, die Dachschindeln an Ort und Stelle zu fertigen. Er hatte dafür weder die nötigen Fachkräfte noch entsprechendes trockenes Rohmaterial. Das Museumsamt riet ihm, die Schindeln auf Ǻ land zu bestellen, wo sie, vorrangig für Kirchenres­ taurierungen, hergestellt wurden. Es war die einzige Stelle in Finnland, wo man sie bekam. So bestellte Ee­ meli denn kurz vor Mittsommer in Lumparland fünftau­ send Stück geteerte Schindeln für das Dach seiner Einödkirche. Ein paar Mark pro Bündel, kein ganz schlimmer Preis.
    Zu Mittsommer waren die Wände aufgerichtet. Stolz und strahlend erhob sich der Bau am Ufer des Sees. Man sah auf den ersten Blick, dass es keine x-beliebige Blockhütte war, kein Motel und keine Tankstelle, sondern ein Tempel mit schönen Linien, dem allerdings noch das Dach und der Dachreiter fehlten. Das Gerippe der Sakristei an der östlichen Front war ebenfalls fertig; Eemeli Toropainen breitete zum Schutz vor Regen eine Plane darüber aus, dann stellte er drinnen sein Feldbett auf, um für den Rest des Sommers dort zu wohnen.
    Ebenfalls zur Mittsommerzeit erschien der Leiter des Bauamtes von Sotkamo, Aimo Räyhänsalo, 45, auf der Baustelle. Eemeli freute sich, endlich brachte ihm ein kommunaler Beamter die Baugenehmigung. Doch seine Freude war verfrüht. Der Amtsleiter erklärte in offiziel­ lem Ton, dass die Baugenehmigung nicht erteilt worden sei. Er sei gekommen, um den Bauherrn darüber zu informieren, zugleich verlange er, dass die Arbeiten eingestellt würden. Eemeli Toropainen kletterte mit dem Beil in der Hand vom Rohbau hinunter und ging mit dem Mann in die Sakristei, um die Sache zu bespre­ chen.
    Räyhänsalo berichtete, dass die Gemeinde die Bauge­ nehmigung für das »größere Wirtschaftsgebäude« befür­ wortete, aber als sich herausgestellt hatte, dass es sich um eine Kirche, wenn auch eine private, handelte, hatte man sicherheitshalber ein Gutachten von der Kirchen­ leitung und dem Umweltministerium eingeholt. Beide hatten sich strikt gegen das Bauvorhaben ausgespro­ chen, und so war die Gemeinde gezwungen gewesen, Eemeli Toropainens Antrag abzulehnen. Also musste er die Arbeiten abbrechen und sich um eine Ausnahmege­ nehmigung bemühen, ob er die allerdings bekomme, sei fraglich.
    »Am besten, Sie gründen hier eine Kirchgemeinde, ho-len sich einen Pastor her und gewinnen das Domkapitel, oder wie diese kirchliche Instanz nun heißt, dafür, sich um die Genehmigungen zu kümmern«, riet ihm der Amtsleiter.
    Eemeli Toropainen verlor die Geduld. »Verflixt! Ich habe keine Zeit, eine Gemeinde zu grün­
    den oder einen Pastor einzustellen.« Wie dem auch sei, eine private Stiftung durfte nicht
    einfach ohne Erlaubnis eine eigene Kirche in der Wildnis errichten. Sogar die Fassadenkommission der Gemeinde hatte protestiert. Dazu war das Vorhaben frevlerisch, weil der alte Kirchenbrandstifter Asser Toropainen da-hinter steckte. Man konnte den Kirchenbau sogar als Gotteslästerung bezeichnen, trotz der Tatsache, dass der Lästerer inzwischen gestorben und begraben
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