Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs
Autoren: Arto Paasilinna
Vom Netzwerk:
harten Einödbedingungen gute weibli­ che Fürsorge angedeihen zu lassen. Die Arbeiter konn­ ten dieses Arrangement nur loben.
    Den ganzen Sommer über dröhnten in der Wildnis die Axtschläge, die munteren Rufe der Bauleute schallten über den See, die Kirche wuchs immer weiter in die Höhe. Die Dachbinder wurden eingesetzt, der Baukörper
    gerichtet und die Firstlatten, unendlich viele an der Zahl, als Halter der Dachstühle justiert.
    Die wilden Tiere der Gegend sahen sich hauptsächlich nachts die Baustelle an: Die Füchse strichen misstrau­ isch um den Steinsockel der Kirche, und die dummen kleinen Julihäschen fraßen auf dem Holzplatz Sauer­ ampfer.
    Stille Unglückshäher, die zuverlässigen und genüg­ samen Gefährten der Bauleute, flatterten in zugiger Höhe zwischen Firstlatten und Dachstühlen umher. Ihre Gesellschaft erfreute die Männer bei der Arbeit, die von morgens bis abends und oft auch bis in die Nacht dau­ erte.
    Einmal dehnte sogar eine neugierige Braunbärin aus Kuhmo ihren Ausflug bis zur Baustelle aus. Sie schlich sich heran wie ans Aas, betrachtete verdutzt das helle, nach Harz riechende Gebäude, sog den Schweißgeruch ein, der um die Zelte der Zimmerleute wehte, und die verlockenden Düfte der Fleischkonserven. Dann richtete
    sie sich auf und sah sich um, ob es in dem schlafenden Lager etwas Passendes zu fressen gäbe. Sie war so dreist – mit äußerster Vorsicht allerdings –, durch die Fenster-öffnung in die Sakristei zu spähen und einen Blick auf Toropainen und seine Köchin zu werfen, die drinnen in tiefem Schlaf lagen. Jedoch war die Königin des Ödwal­ des nicht mutig genug, mitten in der Nacht in den Raum hineinzustürmen, denn der behaarte und schnarchende Toropainen wirkte im nächtlichen Dämmerlicht sogar in den Augen einer Bärin furchterregend. Taina Korolai­ nens weiße Hinterbacke, die unter der Decke hervorlug­ te, ließ der Bärin zwar das Wasser im Maul zusammen­ laufen, und sie hätte zu gern zugebissen, doch kluger­ weise beendete sie ihren Baustellenbesuch und zog sich in ihr angestammtes Revier hinter Valtimo zurück.
    Nun war ihre Neugier zwar befriedigt, der Hunger aber nicht. Diesen Teil erledigte die Bärin, indem sie den pensionierten Postbeamten von Valtimo riss, als dieser in der Gegend von Rimminkorpi, einer für die Mordtat geeigneten Landschaft, Blaubeeren pflückte. Die freche Bärin marinierte ihre Beute sorgfältig in Moorwasser und tat sich fast drei Wochen lang an dem Postbeamten gütlich. Ausgezeichnet, wirklich lecker! Das Einzige, was ihr an dem Mann nicht schmeckte, waren die Gummi­ sohlen seiner Turnschuhe. Die spuckte sie geschickt aus, so wie ein geübter Maränenesser die Gräten.
    An den heißen Spätsommertagen zogen am Himmel schwere Gewitter auf, für die diese Gegend berühmt war. Gewaltiger Druck entlud sich, der Wasserschlitten des Donnergottes rumpelte über das Dach der Welt. Blitze erleuchteten die von schwarzen Sturmwolken verdunkelte Landschaft. Nicht ohne Grund hatte man dem See den Namen des Donners, Ukko, gegeben. Nie­ derprasselnder Platzregen löschte die von den Blitzen entzündeten Waldbrände, und von der Seeoberfläche stieg meterhoch das Spritzwasser auf. Doch jedes Mal, wenn die Kräfte des Himmels am schlimmsten wüteten, war etwas Merkwürdiges, war ein Wunder zu beobach­ ten: Kein einziger Regentropfen fiel auf den Kirchenhü­ gel, nicht auf die Baustelle, ja, nicht einmal auf das Gelände des künftigen Friedhofs, selbst wenn der See noch so wild schäumte und vom Himmel mehr Wasser fiel, als man in den dicken Wolken je vermutet hätte. Das ist die reine Wahrheit.
    Im August, gerade als Eemeli Toropainen mit seinen Männern die Fertigung des Dachreiters vorbereitete und von Ǻ land die vereinbarte Wagenladung voll frisch ge­ teerter Dachschindeln geliefert wurde, trafen auf der Baustelle alarmierende Nachrichten ein: Der russische Präsident war gestürzt und ans Schwarze Meer vertrie­ ben worden, die jugoslawische Armee ging mit brutaler Waffengewalt gegen die kleine Teilrepublik Kroatien vor, und die Baubehörde hatte den Kommissar von Sotkamo eingeschaltet.
    Der Putsch in Russland, der blutig hatte werden sol-len, wurde niedergeschlagen, in Jugoslawien und in Kainuu jedoch gingen die Aktivitäten weiter. Der Kom­ missar von Sotkamo ergriff die erforderlichen harten Maßnahmen. Im Polizeiauto, ausgerüstet mit Aktenta­ sche, Handwaffen und Werkzeug und begleitet von uniformierten Beamten,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher