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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin
Autoren: James Clavell
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Hongkong ist es am allerschlimmsten.« Malcolm Struan lächelte.
    »Aber wie kann man die Bettler und das Betteln verbieten?« erkundigte sich Tyrer verständnislos. »M’selle Angélique hat natürlich recht. Ganz Europa ist eine Bettelschale. London ist die reichste Stadt der Welt, aber sie ist überschwemmt von Bettlern.«
    Canterbury lächelte seltsam. »Es gibt keine Bettler, weil der großmächtige Shōgun sagt, es wird nicht gebettelt, also ist es Gesetz. Und jeder Samurai kann jederzeit sein Schwert an jedem Bettler wetzen – oder an jedem anderen Scheißer… Pardon… oder an jedem anderen, solange er kein Samurai ist. Wenn man Sie beim Betteln erwischt, haben Sie das Gesetz übertreten, also ab ins Loch, ins Gefängnis, und wenn man mal dort ist, gibt es nur eine einzige Strafe, und zwar den Tod. Das ist ebenfalls Gesetz.«
    »Nichts anderes?« fragte das junge Mädchen entsetzt.
    »Leider nicht. Deswegen sind die Japaner außergewöhnlich gesetzestreu.« Wieder lachte Canterbury ironisch, warf einen Blick auf die Straße zurück und zügelte eine halbe Meile weiter unvermittelt sein Pferd vor einem breiten, flachen Wasserlauf, den jeder Passant durchqueren mußte, es sei denn, er ließ sich tragen. Am anderen Ufer befand sich ein Schlagbaum, vor dem sie den unvermeidlichen Samurai-Wachtposten unter tiefen Verbeugungen ihre Papiere präsentierten.
    Verdammte Schweine, dachte Canterbury, weil er sie haßte, obwohl er das Vermögen, das er hier verdiente, durchaus liebte – genau wie seinen Lebensstil, der sich um Akiko drehte, die jetzt seit einem Jahr seine Geliebte war. Ach ja, mein Schatz, du bist die Beste, die Außergewöhnlichste, die Liebste der ganzen Yoshiwara.
    »Sehen Sie doch«, sagte sie. Auf der Tokaidō hatten ganze Gruppen von Passanten angehalten und deuteten in ihre Richtung, starrten sie an und redeten laut. Aus vielen Gesichtern sprachen Haß und Angst.
    »Beachten Sie sie einfach nicht, Miß, unser Anblick ist ihnen fremd, das ist alles, sie wissen’s nicht besser. Sie sind vermutlich die erste zivilisierte Frau, die sie jemals zu sehen bekommen haben.« Canterbury zeigte nach Norden. »Da hinten liegt Edo, ungefähr zwanzig Meilen entfernt. Aber es ist natürlich verboten.«
    »Es sei denn für offizielle Delegationen«, warf Tyrer ein.
    »Ganz recht, aber nur mit Genehmigung, und die hat Sir William kein einziges Mal erhalten, nicht, solange ich hier bin, und ich war einer der ersten. Wie es heißt, soll Edo doppelt so groß wie London sein, Miß, und über eine Million Seelen zählen und dabei über einen phantastischen Reichtum verfügen, und das Schloß des Shōgun ist angeblich das größte von der ganzen Welt.«
    »Könnte das gelogen sein, Mr. Canterbury?« erkundigte sich Tyrer.
    Der Kaufmann strahlte. »Mächtige Lügner, alle zusammen, und das ist die reine Wahrheit, Mr. Tyrer, die besten, die’s jemals gegeben hat; neben ihnen wirken die Chinesen wie der Erzengel Gabriel. Ich beneide Sie nicht darum, daß Sie übersetzen müssen, was die sagen, denn das wird nicht das sein, was sie meinen!« Sonst war er nicht so redselig, aber er wollte sie und Malcolm Struan, solange er die Gelegenheit dazu hatte, unbedingt mit seinem Wissen beeindrucken. Das viele Gerede hatte ihn sehr durstig gemacht. In seiner Satteltasche steckte zwar ein flacher Silberflacon, aber er sagte sich bedauernd, daß es von schlechten Manieren zeugte, wenn er vor ihren Augen Whisky aus der Flasche trank.
    »Könnten wir die Genehmigung erhalten, in dieses Edo hineinzureiten, Malcolm?« erkundigte sie sich.
    »Das möchte ich bezweifeln. Warum fragen Sie nicht M’sieur Seratard?«
    »Das werde ich.« Wie sie bemerkte, hatte er den Namen korrekt ausgesprochen, ohne das ›d‹, wie sie es ihn gelehrt hatte. Gut, dachte sie und richtete den Blick wieder auf die Tokaidō. »Wo endet sie eigentlich, diese Straße?«
    Nach einer merkwürdigen Pause antwortete Canterbury: »Das wissen wir nicht. Das ganze Land ist uns ein Rätsel, und die Japse wollen anscheinend, daß das so bleibt. Sie mögen uns nicht, keinen von uns. Gai-Jin nennen sie uns, Ausländer, Fremde.« Er steckte sich eine Zigarre an. »Sie haben Japan fester geschlossen gehalten als einen Mückena… seit zweieinhalb Jahrhunderten geschlossen gehalten, bis Old Mutton Chops Perry es vor neun Jahren aufgesprengt hat«, erläuterte er voll Bewunderung. »Die Tokaidō endet in einer großen Stadt, heißt es, einer Art heiligen Stadt namens Kiōto
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