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Noah: Thriller (German Edition)

Noah: Thriller (German Edition)

Titel: Noah: Thriller (German Edition)
Autoren: Sebastian Fitzek
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Zigaretten und Waffen tabu. Du trägst doch keine Waffe bei dir, oder?«
    Oscar schenkte ihm einen argwöhnischen Blick, als befürchtete er tatsächlich, Noah habe heute früh beim Stöbern nach Pfandflaschen eine Pistole im Müll gefunden. Dabei stellte er sich auf Zehenspitzen, um den Größenunterschied zwischen ihnen ein wenig auszugleichen. Selbst so reichte er Noah gerade einmal bis zur Brust.
    »Schön, ich habe nämlich keine Lust, dass du aussortiert wirst. Heute ist der vierzehnte Februar, vierzehn und zwei macht sechzehn, die Quersumme davon ist sieben. Sieben! Wir können also heute nicht in unser Versteck zurück, verstehst du?«
    Nein. Ganz und gar nicht.
    Noah verstand das meiste nicht von dem, wovon sein merkwürdiger Weggefährte den ganzen Tag über redete. Streng genommen verstand er sein gesamtes Leben nicht mehr, wobei Leben vermutlich der falsche Begriff für das Dasein war, das er fristete, seitdem er vor gut vier Wochen zum ersten Mal wieder zu Bewusstsein gekommen war; tief unter der Erde, in dem stickigen Verschlag neben dem stillgelegten U-Bahn-Schacht, den Oscar sein »Versteck« nannte.
    »Sie führen Spannungsmessungen durch, davon habe ich dir doch erzählt.« Oscar rollte mit den Augen, als habe er es mit einem begriffsstutzigen Idioten zu tun. Mit seiner orangefarbenen Pudelmütze, dem Mormonenbart im kreisrunden Gesicht und einem enormen Kegelbauch wirkte er wie ein Schlumpf, wobei Noah sich wunderte, dass er wusste, wie ein Schlumpf aussah, wo er doch nicht einmal sein eigenes Gesicht in dem Spiegel der Bahnhofstoilette wiedererkannt hatte.
    Vielleicht würde es seine Erinnerung beflügeln, wenn er sich die dunklen Haare schnitt und den Bart stutzte, doch er bezweifelte es. Für ihn war der Mann mit den traurigen Augen, der schiefen Nase und dem kantigen Gesicht ein Fremder, in dessen vernarbtem Körper er gefangen gehalten wurde.
    »Unser Versteck befindet sich direkt unter dem Ostflügel der Gedächtniskirche.« Oscar flüsterte jetzt, damit die Obdachlosen vor und hinter ihnen nichts von seinen paranoiden Ausführungen aufschnappen konnten. »Geographisch betrachtet liegt das im Bezirk Wilmersdorf, und der hat dort die Postleitzahl 10789. Dreimal darfst du raten, was die Quersumme davon ist. Fünfundzwanzig. Und die von fünfundzwanzig ist? Richtig, sieben.« Oscar blinzelte nervös. »Hast du etwa gedacht, die haben 1993 die neuen Postleitzahlen eingeführt, nur damit die Briefe schneller ankommen? Jaha, das sollen wir alle denken. In Wahrheit ist das ein Code. Der Einsatzplan, nach dem sie ihre Überwachungsroutine koordinieren. An Tagen, deren Quersumme der der Postleitzahl entspricht, müssen wir untertauchen. Begreifst du jetzt, weshalb es so wichtig ist, dass wir da heute reinkommen?«
    Nein. Ich begreife kein Wort. Alles, was ich weiß, ist, dass du vermutlich ebenso verrückt bist wie ich.
    Noah drehte sich wieder zu dem Mädchen um, das zwei Meter weiter hinten in der Schlange stand. Die Kleine war ihm zuerst ihrer Haare wegen aufgefallen; genauer gesagt wegen der Büschel, die ihr fehlten. Ihr Kopf zeigte mehr Haut als Strähnen, so als leide sie unter den Nebenwirkungen irgendeines grässlichen Medikaments. Noah schätzte sie auf höchstens siebzehn, aber angesichts der schlechten Haut und des fehlenden Schneidezahns war das schwer zu sagen; erst recht für einen Mann, der schon Schwierigkeiten damit hatte, sein eigenes Alter zu bestimmen, das vermutlich irgendwo in den Dreißigern lag.
    Seitdem er die Kleine entdeckt hatte, hatte er sie mehr oder minder unauffällig beobachtet, und jetzt, anderthalb Stunden später, meinte er das Mädchen fast besser zu kennen als sich selbst.
    Während er nicht wusste, wo er herkam, konnte es keinen Zweifel daran geben, dass sie schon lange auf der Straße lebte. Ihre Augen hatten den Opiumblick , wie Oscar sagen würde, vernebelt und gleichzeitig leer wie bei so vielen, die hier draußen in der Kälte darauf warteten, dass das Obdachlosenasyl endlich seine Tore öffnete.
    »Kennst du sie?«, unterbrach Noah seinen Begleiter, der gerade über Spähtrupps und Geokoordinaten schwadroniert hatte.
    »Sie?«
    Oscar blinzelte, offensichtlich perplex darüber, dass Noah die Sprache wiedergefunden hatte.
    »Das Mädchen da.«
    Er zeigte an einer Schwangeren vorbei, die mit einem Zigarettenstummel im Mund direkt hinter ihnen stand.
    In einiger Entfernung fing ein Kind an zu weinen, und mehrere Männer brüllten sich an, vermutlich stritten
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