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Noah: Thriller (German Edition)

Noah: Thriller (German Edition)

Titel: Noah: Thriller (German Edition)
Autoren: Sebastian Fitzek
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heißen Herdplatte. Das Straßenmädchen musste dringend ins Warme, bevor die Jogginghose an ihren Schenkeln gefror, da kam der Sozialarbeiter wie gerufen. Und dennoch stimmte etwas nicht an dem Bild.
    Ein Ruck ging durch die Schlange.
    »Okay, es geht los«, sagte Oscar. »Lass dich bloß nicht abdrängen, Noah.«
    Noah.
    Noch immer hatte er sich nicht an diesen Namen gewöhnt, aber irgendwie musste er ja genannt werden, und Noah lag im wahrsten Sinne des Wortes auf der Hand. Immerhin waren die vier Buchstaben dieses Namens in seinen rechten Handballen tätowiert; ungelenk und mit grober Feder gestochen.
    Von wem auch immer.
    Der Name war ihm fremd, so wie der Rest der Hölle, in der er aufgewacht war; ohne Papiere, ohne Geld, das Gedächtnis in einem Meer aus Schmerzen ertränkt.
    Als er das erste Mal zu sich kam, Oscars gutmütiges Gesicht über sich schwebend, hatte er einen kalten Stofffetzen auf seinem dumpf glühenden Kopf gespürt und ein unerträgliches Brennen in der Schulter, als hätte jemand versucht, ihm einen Nagel durch die Knochen zu treiben.
    »Du hättest es schlechter treffen können«, hatte sein Lebensretter drei Wochen später beim letzten Verbandswechsel befunden.
    Die Kugel war einmal glatt durch die linke Schulter gegangen. Es war ein Wunder, dass keine wichtigen Sehnen und Nerven verletzt waren, und dieses Wunder wurde nur noch von der Tatsache getoppt, dass Noah nicht an einer Infektion zugrunde gegangen war.
    »Dir ist Schreckliches widerfahren«, hatte Oscar zu ihm gesagt. »Aber es hat dir nicht das Leben geraubt. Nur dein Gedächtnis.«
    Nur.
    Wahrscheinlich müsste er Oscar ewig dankbar dafür sein, dass er ihn gesund gepflegt hatte, dort unten in dem Verschlag, nur eine Mauer von den U-Bahn-Gleisen getrennt, doch angesichts der Umstände, in denen er sich wiedergefunden hatte, wollte ihm das nicht so recht gelingen. Was war ein Leben schon wert, wenn man nicht wusste, woher man kam, was für Wurzeln man hatte und wieso diese von der Axt des Schicksals offenbar mit einem gewaltigen Hieb gekappt worden waren? Ein Leben ohne Erinnerungen, das nur noch von Instinkten gesteuert war, die Noah sagten, dass er weder in diese Stadt noch in dieses Land gehörte. Dass er sich mit Oscar nicht in seiner Muttersprache unterhielt. Und dass der Mann, der Pattrix mittlerweile zu seinem Wagen schob, kein Sozialarbeiter war.
    »Bin gleich wieder da«, murmelte Noah und schüttelte Oscars Arm ab, der wütend protestierte, es aber nicht wagte, ebenfalls aus der nach vorne aufrückenden Reihe auszuscheren.
    »Komm sofort zurück!«, zischte er ihm hinterher.
    Doch er dachte nicht daran, Oscars Rufen Folge zu leisten.

3. Kapitel
    »Hey. Hey, Sie da.«
    Er war schon nach wenigen Metern erschöpft und spürte die Wunde in seiner Schulter mit jedem Schritt. Noah musste mehrfach rufen, bevor der Mann, der Pattrix wie eine Blinde an der Hand über den Bürgersteig zum Wagen führte, sich endlich zu ihm drehte.
    »Meinst du mich?«
    »Ja. Stehen bleiben!«
    »Wie bitte?«
    Der hagere Kerl mit den schulterlangen Haaren zog erstaunt die Augenbrauen hoch.
    Das Mädchen neben ihm blickte teilnahmslos ins Leere wie eine abgestellte Schaufensterpuppe, die Hände schützend vor ihrem nach vorne gedrehten Rucksack verkrampft.
    »Was haben Sie mit ihr vor?«, wollte Noah wissen.
    Ein arrogantes Lächeln wanderte über die Lippen des Mannes. »Ich weiß zwar nicht, was dich das angeht, aber ich bringe sie in ein Jugendheim, wo sie weit besser aufgehoben ist als in einem Erwachsenenasyl.« Er strich dem Mädchen sanft über den Kopf, was diese mit einem Zucken der Mundwinkel quittierte. Hinter sich hörte Noah, wie Oscar erneut versuchte, ihn zur Rückkehr zu bewegen, aber auch diesen Ruf ignorierte er.
    »Sie arbeiten fürs Jugendamt?«, fragte er stattdessen.
    »So ist es.«
    »Haben Sie einen Ausweis?«,
    »Hör mal, Jesus, was ich nicht habe, ist Zeit. Also lass mich bitte meine Arbeit machen. Du siehst doch, das Mädchen muss schleunigst aus der Kälte gebracht werden.«
    »Mit einem Mietwagen?«
    Der Mann hatte sich wieder zur Straße drehen wollen, doch Noahs Frage ließ ihn in der Bewegung erstarren.
    »Wie war das?«
    Verdammt, wieso habe ich das gesagt?
    Die Worte waren aus Noahs Mund gesprudelt, bevor er gewusst hatte, dass er sie hatte formulieren wollen. Mit den nächsten Sätzen erging es ihm nicht anders. Er hatte das eigenartige Gefühl, sich selbst beim Sprechen zuzuhören.
    »Ihr Kleinbus ist frisch
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