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Noah: Thriller (German Edition)

Noah: Thriller (German Edition)

Titel: Noah: Thriller (German Edition)
Autoren: Sebastian Fitzek
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gewaschen. Er hat ein Kölner Kennzeichen, was an sich schon ungewöhnlich ist für ein Berliner Behördenfahrzeug. Die nachfolgende Ziffernkombination TX ist für Taxis oder Mietwagen reserviert. Außerdem haben Sie ein großes D als Aufkleber am Heck, so wie es zum Beispiel bei Europcar üblich ist. Einzeln wären die Auffälligkeiten vielleicht zu erklären, in Summe aber zeigen sie mir, dass Sie nicht der sind, für den Sie sich ausgeben.«
    Der Mann öffnete den Mund, blieb aber stumm. Noah war kaum weniger erstaunt.
    Woher weiß ich das alles?
    Sein Kopf war voll mit faktischem Wissen, das hatte er schon herausgefunden: Er kannte die Hauptstadt von Guinea, wusste, dass der Körper die meiste Wärme über den Kopf abgab (weswegen er für die Kapuze seiner Jacke sehr dankbar war) und dass der Mensch bis zu zwei Liter Blut verlieren konnte, wie er selbst erfolgreich unter Beweis gestellt hatte. Aber während er sich offenbar mit fremden Autokennzeichen auskannte, wusste er noch nicht einmal, wie die erste Ziffer seiner Telefonnummer lautete – wenn er denn überhaupt eine hatte.
    Er hätte wohl gute Chancen, bei einer dieser Quizshows zu gewinnen, die sich Oscar hin und wieder auf dem kleinen Schwarzweißfernseher ansah, wenn der Empfang im Versteck mitspielte – solange ihm nur keine Fragen über seine eigene Identität gestellt würden.
    »Kommen wir zur 500-Euro-Frage: Wer hat auf Sie geschossen?«
    »Keine Ahnung. Darf ich das Publikum fragen?«
    »Wie viel zahlt man Ihnen für das Mädchen?«, fragte Noah, wieder hätte er nicht zu sagen vermocht, wie er zu dieser Mutmaßung gelangt war. Sein Gehirn arbeitete wie der Autopilot eines Flugzeugs. Er saß zwar im Cockpit, aber der Steuerknüppel bewegte sich von ganz alleine.
    »Wie bitte?«
    »Ihre Auftraggeber. Geschäftsleute, nehme ich an. Manager, reiche Säcke, die sich einen Kick davon versprechen, wenn sie den Abschaum von der Straße auflesen, um ihn noch mehr zu quälen. Werden Sie von denen pro Opfer oder pro Nacht bezahlt?«
    »Du bist doch vollkommen durchgeknallt«, protestierte der Mann, ließ aber die Hand des Mädchens los, als habe sie plötzlich Feuer gefangen. »So eine Scheiße muss ich mir nicht anhören.« Er setzte einen Schritt zurück, ohne Noah aus den Augen zu lassen. »Schon gar nicht von einem Penner wie dir.«
    Der angebliche Mitarbeiter vom Jugendamt versuchte, seinen Worten einen überheblichen Klang zu verleihen, aber das Zittern in der Stimme entlarvte ihn.
    Noah überlegte, ob der Mann eine Waffe ziehen würde, als er in seine Fellkragenjacke griff, ahnte aber im nächsten Moment, dass es nicht zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung kommen würde. Falsch. Er ahnte es nicht nur, er wusste es.
    In den vergangenen dreißig Sekunden hatte Noah mehr über sich selbst herausgefunden als in den letzten Wochen, und seine Entdeckungen machten ihm Angst.
    Ich bin ein Mensch, der schon sehr oft in die tiefsten Abgründe der Seele geblickt hat.
    So oft, dass er das Böse erkannte, sobald es ihm begegnete. Und was noch viel schlimmer war: Das Böse erkannte ihn. Und manchmal wich es zurück, wenn ihre Wege sich kreuzten. So wie in diesem Moment.
    Der Mann hatte seinen Zündschlüssel aus der Jacke gezogen und entfernte sich hastig, ohne sich noch ein einziges Mal umzudrehen.
    »Patricia?«, fragte Noah vorsichtig. Keine Reaktion. Die Kleine hatte von den Geschehnissen um sie herum nicht das Geringste mitbekommen. »Kannst du mich hören?«
    Er schnipste mit den Fingern vor ihren halb geschlossenen Augen. Sie blinzelte nicht einmal.
    »Hey, Noah. Wir sind dran«, rief Oscar aus einiger Entfernung. Noah drehte sich um und entdeckte seinen Begleiter am Eingang des Obdachlosenasyls. Er stand bereits in der Tür und wedelte mit den Armen.
    »Komm endlich!«
    Vorsichtig griff Noah nach der Hand des Mädchens, das sich widerstandslos von ihm führen ließ. Sie bewegte sich mit kleinen Schritten wie in Trance, und daher dauerte es eine geraume Weile, bis er sie zu dem Haus der Caritas geleitet hatte.
    »Was zum Teufel ist nur in dich gefahren?«, begrüßte ihn Oscar, der sich sehr beherrschen musste, nicht laut loszubrüllen, nachdem es Noah nur unter großem Protest gelungen war, sich mit Pattrix im Schlepptau an dem Kopfende der Schlange vorbeizudrängeln.
    Eine Mitarbeiterin des Hauses, eine junge Frau in Jeans und Lederjacke mit streng zurückgebundenen Haaren und Rollkragenpulli, schloss wortlos hinter dem Dreiergespann die hölzerne
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