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no_way_out (German Edition)

no_way_out (German Edition)

Titel: no_way_out (German Edition)
Autoren: Alice Gabathuler
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Schwester ist dir doch nicht so wichtig. Dann brauchst du das Foto eigentlich nicht, oder?«
    Die Planken schlingerten wie wild. Ich fiel. In meinem Knie explodierte der Schmerz. »Siebzehn«, stöhnte ich. »Ich bin siebzehn.« Ich versuchte, mich aufzurichten, doch es gelang mir nicht.
    »Hol sie dir und dann geh!«
    Mein Kopf sank nach vorn auf die Planken. Hinter einem schweren Vorhang aus flirrend heißer Luft und meinem keuchenden Atem fragte die Tusse: »Ist sie dir nun wichtig oder nicht?«
    Ich presste meine Hände gegen die Planken und hob den Kopf. Zwischen mir und dem Bild meiner Schwester lagen mindestens fünf Meter Wasser. Sonnenstrahlen tanzten auf der Oberfläche und brachten sie zum Glitzern.
    »Du hast eine Minute. Wenn du dir das Foto bis dann nicht geholt hast, zerreiße ich es.«
    »Nein«, flehte ich.
    »Eine Minute.«
    Sie würde es tun. Ich musste mich konzentrieren. Nur für diese eine Minute. Ich schloss die Augen und stellte mir vor, wie ich meine Hand in die Hand meiner Schwester schob. Wie sie zudrückte und sagte: »Alles wird gut.«
    Ich stemmte mich hoch, zurück in die Knie, höher, auf die Beine.
    »Dreißig Sekunden«, sagte die Tusse.
    Meine Springer wogen eine Tonne, mein rechtes Bein stand in Flammen. Ich wankte vorwärts, um den Pool herum, auf das Sprungbrett zu.
    »Zehn Sekunden.«
    »Warte!«, schrie ich. »Ich verschwinde. Für immer.«
    »Fünf Sekunden.«
    »Bitte!«
    »Zu spät.«
    Ihre scharfe Stimme stoppte mich. Diesmal nagelten mich die Sonnenstrahlen nicht am Boden fest, sondern hängten mich an unsichtbaren Lufthaken auf. Ich stand da und sah zu, wie die Tusse das Foto meiner Schwester mitten entzweiriss. Und dann noch einmal. Und noch einmal. Und noch einmal.
    Kleine Papierschnipsel schwebten in den Pool wie Konfetti. Als der letzte die Wasseroberfläche berührte, sackte ich zusammen. Tränen rannen über mein Gesicht. Keine Hand schob sich in meine Hand. Niemand sagte, dass alles gut würde.
    Ich bemerkte die Tusse erst, als ihr Schatten auf mich fiel. Sie kniete neben mir. Ihr Kopf näherte sich meinem. Kühle Finger strichen über meine Wangen. »Wow«, sagte die Tusse ganz ohne Gift in der Stimme. Der Rest war ein Traum. Sie legte den Finger, mit dem sie über mein Gesicht gefahren war, auf ihre Lippen und sagte noch einmal »Wow«. Dann schwebte sie auf zwei endlos langen Beinen davon.
    Ich erwachte irgendwann auf hartem Holz. Auf dem Boden des Pools lagen Papierschnipsel wie in einem Grab.
    Viel später schaffte ich es aufzustehen. Ich wankte an einer Terrasse vorbei, über einen unwirklich grünen Rasen zu einem großen Platz vor dem Haus. Beim schmiedeeisernen Eingangstor fing mich Jake ab.
    »Himmel, Junge, was tust du hier draußen?«, fragte er mich.
    Auf eine Antwort wartete er nicht. Er legte mir seinen Arm um die Hüfte und brachte mich zurück in das Zimmer mit der Glasfront. Die Blitzblanksauberfrau musste hier gewesen sein, denn das Bett war frisch gemacht. Jake blieb bei mir und begleitete mich ins Bad, damit ich meinen Kopf kühlen konnte. Alles glänzte wie frisch poliert.
    »Verrückter Kerl«, sagte Jake. »Der Doc wird gleich hier sein und dich ansehen. Was hast du dir dabei gedacht?«
    Was immer ich mir je gedacht hatte, es war weg. Ich war jenseits des Denkens angekommen. Alles, was ich wollte, war irgendwas, das mich für eine Weile aus diesem kranken Spiel nahm. Ich wehrte mich nicht, als der Doc endlich kam und mir eine Spritze reinjagte, sondern ließ mich widerstandslos in ein gnädiges Vergessen fallen.

 
    John_Gambler @derSpieler
    Behalte immer die Kontrolle #Spielregeln
     
     
     
    Aus dem Vergessen driftete ich in meine Albtraumwelt, die mich ab und zu in die wirkliche Welt spuckte, wo seltsame Dinge geschahen. Ich blieb nie lange genug dort, um zu begreifen, was um mich vorging. Schwarze Tentakel zogen mich zurück in die Hölle meiner Träume, die mich quälte, immer und immer wieder, bis sie mich satthatte, an die Oberfläche spülte und mich liegen ließ. Mit geschlossenen Augen horchte ich in die Stille, die diesmal von keinem surrenden Geräusch unterbrochen wurde.
    Ich traute der Ruhe nicht. Vielleicht schlug ich die Augen auf und die Tusse saß auf dem Sideboard, mit angezogenen Knien und einem spöttischen Lächeln im Gesicht. Oder ihre Mutter lehnte an der Glasfront und wartete nur darauf, sich mir an den Hals zu werfen. Wie auch immer. Ich musste aufs Klo.
    Das Aufstehen war eine Qual, klappte aber besser als beim
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