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Nippon-Connection

Nippon-Connection

Titel: Nippon-Connection
Autoren: Michael Crichton
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lehnte sich gegen das Geländer und stellte einen Fuß auf die Bodenleiste.
    Im Konferenzsaal lief das Videoband weiter. Eine Angehörige der amerikanischen Delegation, eine junge Frau, stand auf, schloß ihren Aktenkoffer und verließ den Raum. Die anderen rührten sich nicht vom Fleck.
    Dann war das Band endlich zu Ende, und ich nahm es aus dem Gerät.
    Im ganzen Raum herrschte Schweigen. Ein leichter Luftzug ließ die Papiere auf dem langen Tisch aufflattern.
    Ich sah zur Terrasse hinaus.
    Sie war leer.
    Als wir am Geländer angelangt waren, hörten wir unten schon schwach die Sirenen.
    Unten war die Luft staubig und erfüllt vom ohrenbetäubenden Lärm der Preßluftbohrer. Nakamoto ließ gerade ein Nebengebäude errichten, die Bauarbeiten waren in vollem Gang. Am Straßenrand standen mehrere riesige Betonmischwagen. Ich bahnte mir einen Weg durch die Ansammlung von Japanern in blauen Anzügen und drängte mich vor, um einen Blick in die Baugrube zu werfen. Ishigura war in einer Schicht frischen Betons gelandet.
    Er lag auf der Seite, nur der Kopf und ein Arm ragten aus der weichen Masse heraus. In sich verzweigenden Strömen rann Blut über die graue Fläche. Bauarbeiter mit blauen Helmen versuchten, die Leiche mit Stangen und Seilen herauszuhieven, jedoch ohne Erfolg. Schließlich watete ein Arbeiter in schenkelhohen Gummistiefeln hinein, um Ishigura zu bergen. Aber dies erwies sich als schwieriger denn erwartet. Er mußte Hilfe herbeirufen.
    Unsere Leute waren eingetroffen, Fred Perry und Bob Wolfe. Wolfe sah mich und kam näher. Er hielt sein Notizbuch in der Hand und schrie mir über den Lärm der Preßlufthämmer hinweg zu: »Weißt du irgendwas Näheres darüber, Pete?«
    »Ja.«
    »Kennst du den Namen?«
    »Kasaguro Ishigura.«
    Wolfe warf mir einen schnellen Blick zu. »Kannst du das mal buchstabieren?«
    Ich begann, den Namen über den Baulärm hinweg zu buchstabieren. Dann gab ich es auf, suchte in meiner Tasche nach Ishiguras Visitenkarte und reichte sie Wolfe.
    »Das ist er?«
    »Ja.«
    »Woher weißt du das?«
    »Ist ‘ne lange Geschichte«, sagte ich. »Aber er wurde in einem Mordfall gesucht.«
    Wolfe nickte. »Wir müssen erst mal die Leiche hier rauskriegen, dann können wir uns unterhalten.«
    »Gut.«
    Schließlich zogen sie Ishiguras Leiche mit dem Baukran heraus. Sie wurde, schwer herabhängend und von Beton triefend, in die Luft gehoben und über meinen Kopf hinweg vorbeigeschwungen. Ein paar Tropfen Beton trafen mich, andere bekleckerten ein Schild vor meinen Füßen. Es war ein Schild der Nakamoto Construction Company. In breiten Buchstaben stand darauf: Wir bauen für eine neue Zukunft. Und darunter: Wir bitten um Entschuldigung für die durch die Bauarbeiten bedingten Behinderungen.
    B is am Ort des Geschehens alles geregelt war, verging eine weitere Stunde, aber der Chef wollte noch am selben Tag unsere Berichte haben. Wir mußten also gleich zum Parker Center fahren und die Schreibarbeit erledigen.
    Als wir über die Straße zum Cafe neben Antonios Kreditbüro gingen, um zwischendurch mal vom Papierkrieg wegzukommen, war es vier Uhr nachmittags. »Warum hat Ishigura das Mädchen eigentlich umgebracht?« fragte ich Connor.
    Der seufzte. »Das ist mir auch nicht recht klar. Ich kann es mir nur so erklären: Eddie arbeitete die ganze Zeit über für die kaisha seines Vaters. Zu seinen Aufgaben gehörte es unter anderem, Mädchen für hohe Gäste heranzuschaffen. Das hatte er schon seit Jahren gemacht. Es fiel ihm nicht schwer; er war ein Party-Typ; er kannte die Mädchen. Die Kongreßabgeordneten wiederum wollten die Mädchen, und er bekam auf diese Weise Gelegenheit, sich mit Kongreßabgeordneten anzufreunden. Cheryl nun stellte eine ganz besondere Chance dar, weil Senator Morton, der Vorsitzende des Finanzausschusses, Gefallen an ihr fand. Morton war klug genug, die Affäre abzubrechen, aber Eddie schickte Cheryl mit Privatflugzeugen hinter ihm her, damit die Sache am Laufen blieb. Eddie hatte natürlich auch etwas mit dem Mädchen, und er war es, der sie zu der Nakamoto-Party mitbrachte, weil er wußte, daß Morton ebenfalls eingeladen war. Eddie drängte Morton, den Verkauf zu verhindern, weil dies im Interesse der Geschäfte seines Vaters lag. Eddie hatte deshalb das Samstagstreffen vor Augen, was Sie ja auf dem Videoband der Fernsehstation gehört haben. Ich glaube, Eddie wollte, daß Cheryl sich einfach nur mit Morton traf. Ich bezweifle, daß er dafür den sechsundvierzigsten
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