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Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Titel: Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)
Autoren: Horus W. Odenthal
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beantworten zu können. Dennoch werde ich behutsam vorgehen und allem die Zeit geben, die es braucht.“
    Ein neuer Gedanke kam ihm, streute Zweifel in seinem Geist, brachte vor allem die Verwunderung, nicht früher, nicht bevor Bruc ihn darauf angesprochen hatte, daran gedacht zu haben.
    „Glaubst du, die anderen haben auch etwas bemerkt?“
    „Den Feuerstrahl? Nein“, erwiderte Bruc, „ich glaube in dem ganzen Aufruhr ist das untergegangen. Und wer etwas gesehen hat, wird die Ursache wahrscheinlich bei der Kreatur und den Zerstörungen ihres Organismus suchen.“ Bruc trat aus den Schatten zurück und schwieg einen Moment nachdenklich. „Trotzdem, ich werde mit allen sprechen, die dabei waren und vorsichtig nachforschen. Wenn ich den Eindruck habe, jemand anderes hat die Sache bemerkt, werde ich ihn behutsam in einen Kreis des Vertrauens ziehen.“ Er wies mit einer Bewegung des Kinns in Richtung auf die Türen des Raums, in dem sie sich mit den Enthravanen besprochen hatten. „Ich glaube, es wäre für‘s Erste besser, wenn wir alle darüber schwiegen.“
    Darachel, am Bett des Menschenmannes, wurde aus seinen Gedanken wieder in die Gegenwart geholt, denn Siganche aus dem Konstellarium aufsteigender Linie seiner Neunerschwestern kam, um die ersten heilenden Faltungen herzustellen und alles weitere in der Macht ihrer Heilkunst zu tun, um den Menschenmann ans Leben zu binden.
    Sie untersuchte ihn lange und schweigend und wandte sich dann an Darachel.
    „Es sind nicht nur die äußeren Wunden“, sagte sie. „Dieser Mensch war zwar in Kämpfen, in denen er schwere, sein Leben bedrohende Verletzungen an seinem Leib davongetragen hat.“ Sie schwieg eine Weile und ihr Mund wurde schmal.
    „Aber es ist nicht nur das“, fuhr sie fort. „Sein Geist ist verwundet und vernarbt, und diese Wunden klaffen wie Risse, die nicht heilen wollen und fortwährend schwärende Stoffe in die Atmosphären seiner Leiber absondern. Ich kann dies alles nur schwer deuten, denn ich entdecke im Skriptum seines Blutes ein Erbzeichen, das ich nicht entziffern kann, das aber stark auf den Körper des Menschenmannes zu wirken scheint. Und es gibt da ein weiteres Element, das sich ebenfalls meiner Beurteilung entzieht, da es nicht tätig ist. Es scheint wie verkapselt und wartend, als würde ihm ein auslösender Faktor fehlen, um es zur Wirkung zu bringen.“
    „Ist es etwas Gutes oder etwas Schlechtes?“
    „Ich weiß es nicht. Wie ich gesagt habe: Es ist nicht tätig, und so kann ich es nicht beurteilen. Es ist gepflanzt worden und wartet darauf sich zu entfalten. Wird es ausgelöst – von was auch immer –, kann es heilsam aber auch genauso gut tödlich sein.“
    Siganche blieb zwei Stunden lang, wies mit komplexen Webmustern Fleisch und Knochen einen ersten Weg, und als sie ging, lag kein Keimen einer Zuversicht auf ihrem Gesicht sondern nur eine schwere Bedenklichkeit.
    Das Licht des Nachmittags fiel durch die hohen Fenster in den Raum. Weite trieb vor dem Balkon dahin, über die in der Tiefe liegende Ebene hinweg. Darachel saß neben dem Bett und blickte auf den Fremden, der dort auf dem Rücken reglos ausgestreckt lag, noch immer ohne Bewusstsein, noch immer ohne die Augen auch nur zuckend einen spaltweit zu öffnen, bleich und wächsern wirkend, trotz einer Haut, die dem Anschein nach beständig Sonne und Wetter ausgesetzt gewesen sein musste.
    Sein Blick ging über die Züge des Mannes, seltsam matt, seltsam unausgeformt, als hätte man ihn nur grob aus einer vereinfachenden Gussform herausgeschält und dann die eigentliche Ausarbeitung plastischer Merkmale aufgegeben, ein Eindruck, der durch die verfärbte, verquollene Masse seiner linken Gesichtshälfte nur noch verstärkt wurde. Ähnliches las man in den Berichten häufig; das schien typisch für die Vertreter des Menschengeschlechts zu sein. Und trotz der anscheinenden Jugend dieser herbe Zug. Als hätte ihn etwas stärker mit den Geißeln der physischen Welt verbunden, als das jemals hätte geschehen dürfen.
    Vielleicht, so dachte Darachel, war dieser Vai-Gaijar, dieser junge „Barbar“ der einzige vom Menschengeschlecht, den er je kennenlernen würde. Vielleicht würde dieser Menschenmann sterben, ohne je das Bewusstsein wiederzuerlangen. Vielleicht aber würde er aus seinem Koma auftauchen – als kurzer Aufschub im Prozess des Verlöschens oder um sich tatsächlich gegen jede Wahrscheinlichkeit ins Leben zurück zu kämpfen. Vielleicht würde er ihm dann – ob
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