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Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)

Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)

Titel: Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)
Autoren: David Weber
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Stunden beigewohnt und festgestellt hatte, dass ihr kleiner Bruder mit der gleichen Aufmerksamkeit wie die Midshipmen der Destiny Zahlen auf einer Schiefertafel notierte. Irys wusste natürlich, dass Charis gerade im Begriff stand, die gesamte Arithmetik zu revolutionieren. Schon vor sechs Jahren, als die neuen Ziffern (unerfindlicherweise ›arabische‹ Zahlen genannt) eingeführt wurden, war das abzusehen gewesen. Damals aber hatte Irys nicht begriffen, dass die Neuerung mehr mit sich brachte, als nur das Niederschreiben größerer Zahlen zu vereinfachen. Das Klicken der Perlen zahlreicher Abakus (was für ein nützliches Werkzeug!) übertönte fast Wellen und Wind, während die Midshipmen sich mit einem Fachgebiet abmühten, das die Charisianer ›Trigonometrie‹ getauft hatten. Damit sollten, bezogen auf die Längen- und Breitengrade, genaue Positionsbestimmungen möglich sein (allerdings war das Wort ›sollte‹ zu betonen: Bei den meisten Midshipmen ließen die Mathematikkenntnisse sehr zu wünschen übrig).
    Schon seit dem Tag der Schöpfung war bekannt, was Längen- und Breitengrade waren. Sie waren auf allen Karten des Erzengels Hastings im Tempel angegeben (allerdings noch in den unhandlichen alten Zahlen). Aber eine Schiffsposition berechnen zu können, allein anhand der Beobachtung des Sonnenstands und der Sterne … das war etwas ganz Neues! Irys verstand den Nutzen des Verfahrens sofort, auch wenn sich Captain Lathyk bemerkenswert wenig darum scherte. Lathyk zog es vor, die Position zu gissen: Das hieß, er schätzte sie mit Hilfe von Kompass und Windrichtung, Zeit und Geschwindigkeit ab, mit der das Schiff die Wellen durchschnitt. Sein Hilfsmittel dabei waren die Seehandbücher, die Aufzeichnungen zahlloser charisianischer Matrosen aus vielen, vielen Jahrzehnten. Die Königliche Hochschule hatte dafür die nötigen Aufzeichnungen zusammengetragen. Viele der Originale waren beim Brand des alten Hochschulgebäudes, der auch das Archiv betroffen hatte, vollständig vernichtet worden. Die Handbücher aber gab es in großer Zahl.
    Ein guter Navigator, der es gewohnt war, mit den Seehandbüchern zu arbeiten, erreichte das gewünschte Ziel mit einer Genauigkeit von weniger als dreißig Meilen Abweichung. Das galt selbst bei einer Überfahrt von Tausenden von Meilen. Auch Irys’ bescheidener Erfahrung nach hatten es charisianische Skipper zu wahrer Meisterschaft gebracht, sich ausschließlich auf den Kompass, die gemessene Windgeschwindigkeit und den Wind zu verlassen. Die Meisterschaft darin er klärte, warum die Charisianer als Erste gewagt hatten, die küstennahen Gewässer zu verlassen: Sie waren nicht nur geschickte Navigatoren, sie verließen sich auf ihr Geschick. Deswegen dominierte Charis’ Safeholds Handelsschifffahrt. Das war schon so gewesen, bevor ein gewisses König- beziehungsweise Kaiserreich systematisch andere Handelsschiffe aufbringen ließ, weil es sich im Krieg mit dem gesamten Rest der Welt befand.
    Langfristig gesehen, dessen war sich Irys sicher, würde es immer wichtiger werden, völlig frei zu navigieren – was hieß, abseits der verzeichneten Handelsrouten. Bislang sahen erfahrene Seefahrer wie Captain Lathyk in der neuen Technik bestenfalls ein nützliches Hilfsmittel. Immerhin ließ er seine eigene Positionsabschätzung hin und wieder rechnerisch überprüfen. Aber die neue Arithmetik bot jenseits der Navigation weitere Anwendungsmöglichkeiten. Daivyn aber wäre selbst ohne praktischen Nutzen derselben fasziniert gewesen. Irys sah förmlich, wie im Kopf ihres kleinen Bruders die Zahnrädchen auf Hochtouren liefen, als er die völlig neue Welt der Zahlen kennenlernte – Zahlen, von deren Existenz er bislang nicht einmal etwas geahnt hatte. Hin und wieder erinnerte Daivyn seine Schwester gar an Hektor Aplyn-Ahrmahks Bruder Chestyr.
    Dieser Gedanke ließ Irys erneut seufzen – leiser dieses Mal. Ihr Bruder hätte sich wahrhaftig einen schlechteren Reisegefährten aussuchen können als den Leutnant, an den sie sofort dachte: Auch er war, was diese neue Mathematik betraf, nicht unbeleckt. Was wohl die Inquisition und die Tempelgetreuen in Corisande unternähmen, sollten sie je erfahren, dass Prinz Daivyn Interesse am ›gottlosen, unreinen Wissen‹ der Königlichen Hochschule entwickelt hatte? Die Vorstellung, wie die Antwort ausfiele, versetzte die Prinzessin nicht gerade in Hochstimmung.
    Vor allem, weil ich selbst mich dafür doch fast genauso interessiere , dachte sie.
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