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Nimmermehr

Nimmermehr

Titel: Nimmermehr
Autoren: Christoph Marzi
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würden mich laufen lassen.
    So was geschieht andauernd in einer Stadt.
    In meinem Fall waren es drei kräftige Kerle in Daunenjacken.
    Das Si-Suwat war zum Greifen nah.
    Zwei der Typen hielten Baseballschläger in den Händen. Die tumben Gesichter ließen die Vorfreude auf das, was mir noch bevorstand, erkennen. Und noch während ich mich ängstlich fragte, wie ich den dreien würde entkommen können, hörte ich ein leises Fauchen.
    Es kam von einer der Mülltonnen, die am Straßenrand standen.
    Eine Katze hockte dort, und ihre schmalen Augen funkelten wütend im Halbdunkel der Nacht. Zwei weitere Katzen folgten ihr, und zu diesen gesellten sich weitere Tiere.
    Die Schlägertypen hielten in dem, was sie mit mir vorhatten, inne, als sie die Tiere ebenfalls bemerkten. Etwas am Verhalten der Katzen schien die drei zu verunsichern.
    Dann fasste sich einer der Schläger ein Herz, trat zwei Schritte vor und schlug mit dem Baseballschläger nach einer der Katzen, die sich mit einem flinken Sprung rettete.
    Die anderen Katzen rückten daraufhin näher und zischten bedrohlich. Wie viele Katzen es waren, konnte ich nicht feststellen. Doch kamen sie von überall her. Ein Meer aus Fell und Klauen, blitzenden Augen und spitzen Zähnen. Es war, als erwache die Nacht zum Leben, als würden aus der Dunkelheit Katzenleiber geboren, die sich meinen Peinigern näherten.
    Etwas zerrte an meiner Hose.
    Eine Katze mit Augen, so wunderschön und voller Leben, schnurrte mich an.
    Hellbraunes Fell zierte ihren grazilen Körper.
    Dann schlug einer der Typen mit dem Baseballschläger zu, und das schöne Tier, das einen Moment nur unachtsam gewesen war, wurde gegen eine Hauswand geschleudert.
    Schnell rappelte sich die Katze wieder auf.
    Fauchte laut.
    Und das Meer von Katzenleibern schlug wie ein Blitzschlag über den drei Wegelagerern zusammen. Ich hörte die panischen Schreie der Jäger, die nun Beute waren. Es dauerte aber nicht lange, und es wurde wieder still in der Straße. Die Katzen verschwanden so schnell, wie sie aufgetaucht waren. Zurück blieben die Leichname meiner Peiniger.
    Mühsam erhob ich mich und ging zu der Katze mit dem hellen Fell und den wunderschönen Augen. Sie schnurrte leise und schien Schmerzen zu haben. Dann leckte sie mir mit ihrer rosa Zunge über die Hand und verschwand in der Nacht, die sie geboren hatte.
    Nach einem letzten Blick auf die reglos auf dem Gehweg liegenden Körper lief ich zum Hotel.
    »Selina ist nach Hause gegangen«, verkündete mir Miss Shoshti, die Inhaberin, »vor einer halben Stunde schon.«
    Verwirrt und müde trat ich also den Heimweg an.
     
    »Wo hast du gesteckt?« Selina erwartete mich bereits.
    Ich nahm sie in die Arme, küsste sie.
    Ihr hübsches Gesicht verzog sich ein wenig. »Aua.«
    »Was hast du?«
    »Nichts«, sagte sie schnell.
    Doch der Verdacht, den ich seit einer halben Stunde in mir trug, erblühte aufs Neue.
    »Komm!« Sie zog mich in die Wohnung hinein.
    Kaltes Mondlicht flutete den fast leeren Raum.
    »Katzen«, sagte sie, »lügen immer ein wenig. Aber was macht das schon aus, wenn man die Wahrheit sehen kann, die in den Lügen steckt.« Sie blinzelte. »Ich liebe dich, und deshalb war ich da, als du mich gebrauchst hast.« Dann zog sie das T-Shirt hoch, und ich konnte sehen, was sie meinte. Ganz blau war die Haut an den Stellen, an denen der Baseballschläger sie getroffen hatte.
    »Du …«
    Sie legte mir einen Finger auf die Lippen. »Psst.«
    Wir sahen einander an.
    »Hör mir einfach zu«, bat sie mich.
    Ganz brüchig klang meine Stimme. »Okay.«
    »Du weißt nun, wer ich bin.« Es war eine Feststellung. »Ich bin in Portland aufgewachsen, wie ich es dir gesagt habe.« Mondlicht brach sich in den Katzenaugen. »Mein Vater fuhr oft mit mir zum Angeln. Und er machte sich keine Gedanken darüber, ob dies ein geeigneter Zeitvertreib für ein Mädchen war. An den Wochenenden fuhren wir hinauf zum Cape Cod. Er brauchte den Wind im Gesicht und den Geschmack des salzigen Meeres auf den Lippen. Er hat mir gesagt, dass dies sein Leben sei. Aber er hat niemals verstanden, dass mein Leben ein anderes war.« Sie ergriff meine Hand. Sah mich an. »Katzen sind rastlose Wanderer. Wer versucht, eine Katze festzuhalten, der wird sie vertreiben.« Dann lächelte sie. »Und wer sie nicht gerufen hat, der wird sie selten wieder los.«
    »Dein Vater wollte dich nicht gehen lassen.«
    »Er hat meinen Traum nie verstanden.«
    »Aber du bist gegangen.«
    »So wie meine Mutter vor
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