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Nikotin

Nikotin

Titel: Nikotin
Autoren: Agatha Christie
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ab rannte. Seine Augen leuchteten grün wie die Augen einer Katze.
    »Mais oui… das erklärt alles. Ein seltsamer Grund… ein sehr seltsamer Grund… solch ein Grund, wie ich ihn in meiner ganzen Laufbahn noch nicht erlebt habe. Und dennoch ist er vernünftig und in Anbetracht der Umstä n de ganz natürlich.«
    Er schritt zu dem Tisch, wo sein Kartenhaus noch stand, und fegte mit einer Handbewegung sämtliche Ka r ten von der Tischplatte herunter.
    »Die ›Glückliche Familie‹ brauche ich nicht mehr«, sagte er. »Das Rätsel ist gelöst. Jetzt heißt es handeln!«
    Er stülpte seinen Hut auf, zog seinen Mantel an, ging hinab in die Hotelhalle und weiter auf die Straße, wo er ein Taxi herbeiwinkte. Das Ziel der Fahrt war Sir Charles’ Junggesellenheim.
    Der Portier, der den Fahrstuhl bediente, hatte sich g e rade einen Augenblick entfernt, und um nicht warten zu müssen, stieg Poirot zu Fuß bis zum zweiten Stock e m por.
    Als er gerade die letzte Stufe erklomm, öffnete sich Cartwrights Wohnungstür und Miss Milray trat heraus.
    »Sie?« Unwillkürlich fuhr sie zurück.
    »Out, c’est moi!«, lächelte Poirot.
    »Sie haben Pech, Monsieur, Sir Charles ist mit Miss Ly t ton Gore zum Babylon-Theater gegangen.«
    »Ich kam nicht wegen Sir Charles, Mademoiselle. Mir scheint, ich habe neulich meinen Stock bei Ihnen gela s sen.«
    »Ja? Davon weiß ich nichts. Seien Sie bitte so gut und läuten Sie nach Helen. Ich selbst kann mich leider nicht aufhalten, weil ich sonst den Zug versäume. Ich reise nach Kent – zu meiner Mutter.«
    »Gehen Sie, Mademoiselle«, drängte er. »Ich würde u n tröstlich sein, wenn Sie sich verspäten.«
    Er trat zur Seite, und Miss Milray rannte an ihm vo r über treppab, einen kleinen Koffer in der Hand.
    Aber als sie verschwunden war, schien Poirot den Zweck seines Besuches vergessen zu haben. Auch er lief treppab und gelangte gerade noch rechtzeitig bei der Haustür an, um zu sehen, wie die Sekretärin in ein Taxi kletterte. Ein anderes leeres Auto fuhr langsam am Rin n stein entlang. Poirot hob eine Hand, es hielt an, und er gab dem Fahrer Befehl, er möge Miss Milrays Taxi fo l gen. Keine Spur von Überraschung zeigte sich auf Herc u le Poirots Gesicht, als das erste Auto nordwärts fuhr und schließlich vor dem Paddington-Bahnhof hielt – eine merkwürdige Abfahrtsstation für eine Reise nach Kent. Ohne zu zögern, löste der Detektiv eine Rückfahrkarte nach Loomouth, und mit hochgeschlagenem Mantelkr a gen vergrub er sich in die Ecke eines Abteils.
    Um fünf Uhr, als die Dämmerung bereits herabsank, schnaufte der Zug in den kleinen Bahnhof von Lo o mouth hinein. Poirot, der mit dem Aussteigen wartete, vernahm, wie der freundliche Gepäckträger Miss Milray begrüßte: »Oh, Miss, wir haben Sie nicht erwartet. Kommt Sir Charles zurück?«
    »Nein. Ich fahre auch schon morgen wieder ab, will nur einige Sachen holen. Danke, keinen Wagen. Ich möchte den Klippenpfad benutzen.«
    Die Dunkelheit nahm rasch zu. Flink ging Miss Milray die steilen Kehren aufwärts. In sicherer Entfernung folgte ihr Hercule Poirot. Er trat so leise auf wie eine Katze. Oben angelangt, nahm Miss Milray einen Schlüssel aus ihrer Tasche, schloss einen Seiteneingang des »Krähe n nestes« auf und verschwand im Haus. Zwei Minuten sp ä ter tauchte sie von Neuem auf, diesmal mit einem ries i gen, rostigen Schlüssel und einer elektrischen Tasche n lampe.
    Nun schritt sie um die Hausecke herum und kletterte einen vollkommen verwachsenen, kaum sichtbaren Pfad hinauf. Weiter, immer weiter klomm sie empor, bis sie zu einem alten steinernen Turm gelangte, wie es deren an dieser Küste viele gibt. Ein sehr verwahrloster, baufälliger Turm. Jedoch an seinem schmutzigen Fenster hing eine Gardine, und Miss Milray steckte den Schlüssel in die schwere Holztür.
    Mit protestierendem Kreischen drehte sich der Schlü s sel, ächzend schwang die Tür in ihren Angeln nach innen auf und gewährte Miss Milray nebst ihrer brennenden elektrischen Lampe Einlass. Der Lichtkegel glitt über Glasretorten, über einen Bunsenbrenner und verschied e ne Apparate. Jetzt hatte die Sekretärin ein Brecheisen ergriffen. Schlagbereit hielt sie es über den gläsernen G e räten, als eine Hand ihren Arm packte. Sie fuhr herum… die grünen, katzenartigen Augen Hercule Poirots bohrten sich in die ihren.
    »Mademoiselle, das dürfen Sie nicht tun«, sagte er. »Denn was Sie zerstören möchten, ist Beweismaterial.«

27
     
    P oirot saß
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