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Niemand hört dich schreien (German Edition)

Niemand hört dich schreien (German Edition)

Titel: Niemand hört dich schreien (German Edition)
Autoren: Mary Burton
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eine Familie sein.«
    Um seinen Mund zuckte ein Lächeln. »Nicht so, dass es etwas ändern würde. Es gibt zu viel, das uns auseinanderbringen könnte.«
    »Dieses Mal wird es anders. Du wirst sehen, ich werde dich lieben. Ich verspreche es.«
    Liebe . Einen Augenblick lang schloss er die Augen und ließ das Wort in seinem Geist widerhallen. Schon so lange hatte ihn niemand mehr geliebt. »Du kannst mich nicht richtig lieben, bevor du ein Teil der Familie geworden bist.«
    »Doch, ich kann es!«
    Er machte ihr keinen Vorwurf daraus, dass sie log. Sie hatte Angst vor dem Übergang, das wusste er. Hinüberzugehen machte den Mädchen immer Angst. In diesem Stadium hätte sie einfach alles gesagt. Er war ihr nicht böse, er hatte Verständnis.
    »Schsch. Alles wird gut, Ruth.«
    Sie schluchzte leise auf. »Ich bin nicht Ruth. Ich bin nicht Ruth.«
    Er ließ die Daumen in ihrem Nacken kreisen, dann schloss er seine langen Finger um ihren Hals. »Wehr dich nicht dagegen. Es ist so viel leichter, wenn du dich nicht gegen das wehrst, was am besten für dich ist.«
    »Nein.«. Sie wand sich in ihren Fesseln und schlug mit dem Kopf nach ihm. »Ich will nicht gehen!«
    Er verstärkte seinen Griff und begann zuzudrücken.
    Zunächst warf sie den Kopf noch heftiger hin und her. Aus ihrem Mund drang ein erstickter Schrei. Doch der Druck um den Hals nahm ihr Sauerstoff und Kraft, und die Laute verstummten. Schon würgte sie und rang nach Atem, stemmte sich gegen die Fesseln, die schlanken Finger krümmten sich zur Faust.
    »Ruth, du warst doch immer die Starke, die Tapfere.«
    Er drückte noch fester zu und kostete das Gefühl der Macht aus, das seinen Körper durchströmte, die unglaubliche Erregung. Obwohl das Zimmer eiskalt war, wurde ihm warm. Er fühlte sich lebendig , mit allem verbunden.
    So lange war er allein gewesen, verloren, auf der Suche. Nun würde Ruth zu seiner Familie gehören. Sie würde für immer bei ihm sein.
    »Familie. Das ist einfach alles. Ohne eine Familie ist das Leben nicht viel wert. Die Menschen begreifen das heutzutage nicht. Immer sind sie so beschäftigt, so gehetzt, nehmen sich keine Zeit füreinander.«
    Sie spannte die Halsmuskeln an und drehte den Kopf hin und her, würgte, versuchte sich zu befreien.
    Seine Arme und Hände schmerzten, doch sein Griff blieb eisern. Ihr Puls hämmerte wild, ein Zeichen dafür, wie sehr ihre Lungen nach Sauerstoff verlangten. Und dann setzte das Pochen für einige Schläge aus. Sein Herz begann zu rasen. Noch ein paar unregelmäßige Pulsschläge, dann wurde sie ruhig.
    Das Leben rann aus Ruths Körper wie Wasser in einen Abfluss. Sie sackte nach vorn. Stille umgab sie, eine Stille, die nur der Tod hervorbringt.
    Liebevoll legte er ihr die Hand auf den Kopf. »So ist es besser, nicht wahr? Endlich hast du Frieden. Jetzt bist du frei von Kummer und Sorgen.«
    Sie regte sich nicht. Es gab kein Aufbegehren mehr. Kein Flehen, er möge ihr die Freiheit wiedergeben.
    »Gepriesen sei der Herr«, flüsterte er.
    Er zog eine goldene Kette mit einem ovalen Anhänger aus der Tasche. Auf dem Anhänger war Ruth eingraviert. Er legte ihr die Kette um den Hals. Der Verschluss war winzig, und seine großen Hände nestelten ungeschickt daran herum, bis die Öse schließlich einrastete.
    Er ging um den Stuhl herum und kniete sich vor Ruth hin. Das Amulett lag in ihrer Halsgrube, genau über ihren Brüsten. Es war ein schöner Anhänger, ein edles Schmuckstück, und er hatte mehrere Wochen gebraucht, um ihn anzufertigen. Doch sie war es wert. Er berührte das goldglänzende Metall.
    Ruth verdiente das Allerbeste.
    Er band ihre Handgelenke los und ergriff ihre Hände, küsste die kalten Finger und drückte sie an seine Wange. »Ich liebe dich so sehr.«
    Er schob seine Hand unter ihr Kinn und neigte ihren Kopf nach hinten. Unter halb geöffneten Lidern starrten ihn ihre blicklosen Augen an. Er glaubte, ein Lachen in den glasigen Untiefen zu sehen.
    »Du wirst nicht mehr lange allein sein, Ruth.« Er legte ihre Hände sittsam in ihren Schoß. »Bald werde ich die anderen finden und zu dir schicken.«
    Bei dem Gedanken an die anderen lächelte Allen, und Freude wallte in ihm auf. »Bald werden wir alle zusammen sein – so, wie die Familie es immer hätte sein sollen.«

1
    Dienstag, 8. Januar, 8:10 Uhr
    Detective Jacob Warwick vom Morddezernat beugte und streckte die Finger der rechten Hand, um die Steifheit in den Gelenken loszuwerden, während er über den gefrorenen Boden auf die
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