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Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)

Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)

Titel: Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)
Autoren: Tim Frühling
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Forderung münden, irgendwelche Gebiete zu begehren oder zurückzuholen, sie sind eine reine Utopie! Aber selbst jahrhundertealte Begriffe verdeutlichen, dass sich der Deutsche offenbar nach Landschaften sehnt, die jenseits seiner Grenze liegen. Wie viele Schweizen es allein bei uns gibt: Holsteinische, Mecklenburgische, Fränkische, Sächsische, Vogtländische … und das sind nur die gängigsten. Hinter Jena saaleabwärts spricht man von der »Thüringer Toskana«, auch östlich Bambergs wirbt man mit diesem Begriff und versucht, Reisende in die »Fränkische Toskana« zu locken. Sehr heimatverbundene Saarländer sprechen ganz und gar ernsthaft von der »Saarländischen Toskana«, wenn sie über den Bliesgau reden! Ganz ehrlich, mir wäre nicht bekannt, dass andere Länder auf deutsche Gegenden zurückgreifen, um landschaftliche Schönheiten zu beschreiben. Das Hessen Graubündens? Der umbrische Hunsrück? Liguriens Sachsen-Anhalt? Unvorstellbar.
    Vielleicht trägt hier Goethe eine Teilschuld: Durch seine fast zweijährige Italienreise wurde uns ein Floh der Idylle ins Ohr gesetzt, der bis zur heutigen Generation nachwirkt. Vielleicht hätten wir im Rahmen des Erasmus-Programms frühzeitig Dante Alighieri oder Alessandro Manzoni einladen sollen, damit die ihren Landsleuten im Süden über die Schönheiten von Magdeburger Börde oder Emsland berichten.
    Im Ernst: Unser Land hat so viel mehr zu bieten, als man im Trott des Alltags üblicherweise wahrnimmt. Machen Sie doch mal ein kleines Experiment. Befahren Sie Ihren ihren täglichen Weg zur Arbeit mit dem Gedanken, Sie hätten im Auto oder im Bus neben sich befreundete Gäste aus den USA. Denken Sie darüber nach, welche Perlen am Wegesrand Sie dem Besuch aus Übersee näher zeigen würden und was davon die amerikanischen Touristen zu ihren üblich exaltierten »sweeeeeeet«-, »cuuuuuute«-, »looooooovely«-Rufen animieren würde. Sie werden sehen, es werden mehr sein, als Sie denken!
    Es heißt ja immer so schön, die Deutschen seien Reiseweltmeister. Deswegen ist es auch einfacher, im Bekanntenkreis eine Restaurant-Empfehlung für Auckland zu bekommen als für Waren an der Müritz. Jeder war schon auf Ko Samui, noch keiner auf Pellworm. Gehen Sie doch mal in ein Reisebüro und lassen sich von der Counter-Mitzi dort beraten. Die kann Ihnen eher »’ne total süße Lodge« im südafrikanischen Stellenbosch empfehlen als eine ordentliche Pension in Braunlage.
    Um erst mal die nähere Umgebung kennenzulernen, empfehle ich Ihnen Folgendes: Kaufen Sie sich einen Zirkel, sofern Sie noch keinen besitzen. Ziehen Sie um ihre Heimatstadt im folgenden zwei Radien: einen etwa im Umkreis von 75 Kilometern, diesen nennen Sie ZONE A. Ein weiterer Kreis in rund 150 Kilometer Entfernung erhält den Namen ZONE B. Aktivieren Sie einen guten Freund oder eine gute Freundin, mit der es leicht ist, Spaß zu haben. Stimmen Sie anschließend mittels eines Kalendariums ein paar gemeinsame freie Wochenenden ab. Wenn Sie nur von Samstag bis Sonntagmittag Zeit haben, planen Sie einen Ausflug in eine beliebige Stadt in der ZONE A. Reicht es sogar für einen Trip von Freitag bis Sonntagabend, empfiehlt sich ZONE B. Das Ziel muss auf Anhieb gar keine großen Höhepunkte aufweisen, es eignen sich also auch Städte wie Uelzen, Gießen oder Homburg an der Saar. Buchen Sie sich eine günstige Bleibe und lassen Sie sich von nun an überraschen, was auf Sie zukommt. Machen Sie einfach genau das, was ein Uelzener, Gießener oder Homburger an einem Wochenende auch tun würde: Durch die Stadt bummeln, ein paar Kleinigkeiten kaufen, ins Eiscafé setzen, vielleicht einen Park oder ein Museum aufsuchen. Lassen Sie sich von einem Einheimischen ein Lokal mit regionalen Spezialitäten empfehlen und fragen Sie dort – sofern sie diesen Plan vogelwild umsetzen wollen – nach einer angesagten Diskothek. Sie glauben gar nicht, was Sie binnen 24 oder 48 Stunden alles entdecken werden. Und sollte die Stadt, die Sie sich ausgesucht haben, doof sein, sind Sie umso glücklicher, wenn Sie wieder zu Hause sind. Ein einmaliges Konzept mit win-win-Garantie, würde ich mal sagen!
    Homburg an der Saar, da muss ich rasch noch einen Zwischengedanken einschieben. Haben Sie schon mal bemerkt, dass das Saarland reihenweise in Radio-und Fernsehnachrichten genannt wird, auch wenn dort gar nichts passiert ist? Es wird nämlich fast wöchentlich, bei manchen Ereignissen beinahe täglich als Größenvergleich herangezogen. Wenn
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