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Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)

Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)

Titel: Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)
Autoren: Tim Frühling
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in China ein Waldgebiet brennt, ist es meist in der Größe des Saarlands. Bebt in der Türkei die Erde, ist häufig ein Gebiet in den Ausmaßen des Saarlands davon betroffen. Steht in Australien oder am Mississippi bewohntes Land unter Wasser, lässt sich der betroffene Raum am besten mit der Ausdehnung des Saarlands vergleichen. Eigentlich müsste das Bundesland dankbar für diesen heftigen Airplay sein, wenn es nicht vorwiegend unangenehme Ereignisse wären, denen dieses unschuldige Fleckchen Erde zum Größenvergleich gegenübergestellt wird.
    Das Saarland im kleineren Rahmen ist übrigens der Fußballplatz. Lodert in der Mark Brandenburg ein Waldbrand, wird nicht in der Maßeinheit Saarland verglichen, sondern in Fußballplätzen. Die Frankfurter Messe rühmt sich, fast 36 Fußballplätze groß zu sein.
    Moment, da fällt mir etwas ein: Wie viele Fußballplätze sind eigentlich ein Saarland? Die Regelgröße eines internationalen Fußballfeldes sind 68 mal 105 Meter. Also 7140 Quadratmeter. Ein Quadratkilometer entspricht einer Million Quadratmeter, also sind 7140 Quadratmeter 0,00714 Quadratkilometer. Soweit klar? Gut, weiter. Das Saarland umfasst 2568 Quadratkilometer. Wie oft passen da die 0,00714 Quadratkilometer Fußballplatzgröße rein? 359663-mal. Das Saarland ist also rund 360000 Fußballplätze groß. Summa summarum umfasst die Frankfurter Messe 0,0001 Saarlands.
    Praktisch, dass wir gerade bei Frankfurt sind. War Ihnen bekannt, dass es keine Stadt vergleichbarer Größe gibt, in die täglich so viele Menschen ein-und auspendeln wie ins geschäftige Mainhattan? 66 Prozent der Menschen, die in den Hochhäusern oder deren Schatten in Lohn und Brot stehen, sind nicht in der Stadt gemeldet.
    Generell neigt der Süddeutsche eher zum Pendeln als der Nord-oder Ostdeutsche: Quoten von über 60% auswärts lebender Arbeitnehmer sind in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen keine Seltenheit. Das kann zum einen daran liegen, dass das Leben in der Stadt dort besonders teuer ist. 68,7 Prozent pendelnde Arbeitnehmer im schönen, aber doch recht engen Heidelberg wären ein Indiz für diese Theorie. Ebenfalls möglich: Der Süddeutsche hat das klassische »Häuslebauer-Gen« in sich. Und wer nach eigenem Grund und Boden strebt, muss eben raus aufs Land.
    Nicht zu verachten ist auch diese These: Viele Süddeutsche arbeiten in Firmen, die irgendwas rund ums Auto produzieren. Und auf schönen, langen Fahrten zum Arbeitsplatz kann man erst richtig feststellen, ob die Bremsen, Stoßdämpfer oder Kugellager, an deren Entstehen man beteiligt ist, auch wirklich etwas taugen.
    Auch der Faktor Mitnahmementalität mag eine Rolle spielen: Wenn der Staat schon so was Schmuckes wie eine Pendlerpauschale anbietet, muss man doch auch zugreifen, oder? In einigen Fällen – und nun wird’s gewohnt ketzerisch – liegt es vielleicht auch einfach nur daran, dass die Stätte der Berufsausübung derartig scheußlich ist, dass man dort eventuell arbeiten, auf keinen Fall aber wohnen mag? Oder wie lässt sich sonst erklären, dass gerade Ludwigshafen und Offenbach das Einpendler-Ranking anführen? Hm?
    Übrigens, Pendlerpauschale: Aus meiner Sicht gibt es kein sinnloseres und fragwürdigeres politisches Instrument als das Subventionieren des Fahrens weiter Strecken zum Arbeitsplatz. Natürlich sind die Immobilienpreise in den Großstädten oft so hoch, dass sich Familien keinen angemessenen Wohnraum leisten können. Aber wie wäre es an dieser Stelle mit einer Prise Statistik? Die Pendlerpauschale kostet den Staat im Jahr 4,4 Milliarden Euro. Das ist viel. Rund vierzig Millionen Menschen in Deutschland sind berufstätig. Das ist erfreulich. Rund 75 Prozent von ihnen verdienen weniger als 3000 Euro im Monat. Das ist ärgerlich. 10 Prozent der Deutschen haben minderjährige Kinder. Das ist wenig. Nun rechnen wir also mal aus, wie viele Deutsche mit einem kleinen Einkommen und kleinen Kindern es gibt: 75 Prozent von vierzig Millionen sind dreißig Millionen. Drei Millionen von ihnen haben Kinder unter achtzehn. Würde man diesen Menschen die Pendlerpauschale direkt als Wohnkostenzuschuss auszahlen, blieben im Jahr 1466 Euro pro geringer Verdienendem mit Kind. Man könnte also jedem Einzelnen 122 Euro pro Monat auszahlen, um sich arbeitsplatznah eine Bleibe zu suchen. Für 122 Euro mehr kann man sich in den meisten Städten schon eine Wohnung mit einem zusätzlichen Zimmer leisten. Weswegen also wird Benzinverbrauch, Umherfahrerei und
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