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Nichts gegen Engländer

Nichts gegen Engländer

Titel: Nichts gegen Engländer
Autoren: Ralf Sotscheck
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demonstrierte ein Schauspieler den Sound des
Übergebens mit Hilfe eines Eimers gebackener Bohnen.
    Der
brechende Engländer verwies den Zahnarztbohrer, das brüllende Baby, den
Brunftschrei einer Katze, das Klingeln eines Handys und die Rückkopplung eines
Mikrofons auf die Plätze. Schnarchen landete sogar nur auf dem 26. von 34
Plätzen. Hoch im Kurs der Ekelgeräusche stand dagegen das Kreischen einer
Eisenbahn auf den Schienen. Das ist aufgrund der veralteten Bahnanlagen ein
speziell englisches Problem. Dabei können die Engländer seit der
Bahnprivatisierung froh sein, wenn die Züge überhaupt noch fahren.
    Cox
hatte eigentlich erwartet, dass das Quietschen eines Fingernagels auf einer
Schiefertafel ganz oben rangieren würde, da es einen historischen Reflex
auslöse: Das Geräusch ähnelt dem Schrei von Affen, die ihre Artgenossen vor
Gefahr warnen wollen. Aber die Befragten empfanden es nicht schlimmer als das
Hochziehen von Rotz oder das Zerknautschen von Styropor.
    Die
meisten Geräusche sind für Frauen unerträglicher als für Männer, lediglich bei
lärmenden Babys gaben die Männer Höchstnoten in der Skala des Grauens. Auch das
Alter spielt offenbar eine Rolle: Der Zahnarztbohrer ist für unter Zehnjährige
und für Menschen zwischen 40 und 50 besonders unangenehm, weil sie in dem Alter
ständig damit in Berührung kommen.
    Was
ist der Sinn der Umfrage? »Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus verstehen wir
eigentlich gar nicht, warum manche Geräusche so schrecklich sind«, sagt Cox.
»Wenn wir herausfinden, was die Leute stört, können wir Wissenschaftler die
betreffenden Geräusche in manchen Fällen vielleicht eliminieren.« Ein guter
Plan. Aber es ist vermutlich illegal, Millionen von Engländern zwischen 12 und
30, die an den Wochenenden die Bürgersteige vollkotzen, zu eliminieren.
    Ebenso
unangenehm wie brechende Engländer ist ihr Wetter. Dennoch reden sie sehr gerne
darüber. Aber es trifft sie immer wieder unverhofft. Der Engländer läuft stets
unbeschirmt durch den Regen, denn er rechnet trotz täglicher Belehrung eines
Besseren nicht mit einem Schauer. Und erst recht nicht mit einer Hitzewelle.
2006 wurde der heißeste Julitag aller Zeiten gemessen - 36,3 Grad, das sind 0,3
Grad mehr als 1911 in Epsom.
    Die
britische Presse berichtete darüber wie aus einem Krieg. Vor allem die
Boulevardpresse lief zur Hochform auf. Ob Mail, Mirror oder Sun - überall noch mehr spärlich bekleidete Damen als sonst.
    Londons
Busfahrern hingegen drohte die Entlassung, falls sie in kurzen Hosen zur
Arbeit erschienen. Dabei herrschten in den Bussen Temperaturen von 52 Grad,
empörte sich die Sun:
    »Das
ist fast doppelt so viel, wie beim Rindertransport als Höchstwert zugelassen
ist.«
    Aber
selbst Rinder, die nicht Bus fahren, drehten durch. In Dorset wurde eine Herde
von einem Fliegenschwarm verrückt gemacht und trampelte bei einer Stampede
einen Jogger nieder. Einen Jogger? Da bewahrheitet sich mal wieder das
Sprichwort, wonach sich nur verrückte Kühe und Engländer hinaus in die
Mittagssonne begeben. Im Originalsprichwort geht es um verrückte Hunde.
    Die Daily Mail warnte vor einem anderen Phänomen. »Innerhalb einer Viertelstunde ist ein Bier
so warm wie Badewasser«, schrieb das Blatt. Wie günstig! So trinkt es der
Engländer doch am liebsten. Die Sun wies mit glühenden Bäckchen auf
die Gefahr hin, dass Menschen bei lebendigem Leib geröstet werden könnten.
»Wenn die Körpertemperatur 43-44 Grad erreicht, werden die Organe gekocht«,
zitierte das Blatt den Medizinprofessor Bill Keatinge. »Das Hirn ist am
ehesten betroffen. Es wird wie ein Ei gegart. Es kann danach nie mehr in
seinen ursprünglichen Zustand versetzt werden. Das Kochen geht ganz schnell und
richtet ungeheuren Schaden an.« Wie man an der Sun-Leserschaft unschwer
erkennen kann. Das Blatt hatte einen Fotowettbewerb ausgerufen: Für das
verschwitzteste Foto konnte man eine Reise nach Island gewinnen.
    Auch
der Guardian, der sich 2005 nicht nur vom Format her boulevardisiert hat, wollte von seinen
Lesern Fotos und Geschichten rund um die Hitze haben. Ein gewisser Glurk fand
die Temperaturen großartig: »Alle stinken nach Schweiß, da falle ich nicht
weiter auf.« Archibald Strang berichtete, er habe sich ein Hemd mit Dutzenden kleiner
Taschen nähen lassen, in die er Eiswürfel steckt. Und Little Jo schrieb: »Vor
zwei Jahren war ich während einer Hitzewelle in Frankreich. Dort starben viele
Omas. Die Leichenhallen waren
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