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Nichts für Anfänger - Roman

Nichts für Anfänger - Roman

Titel: Nichts für Anfänger - Roman
Autoren: Kevin Maher
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ist und warum. Er sagt, in Dublin gibt es lauter großartige »Charaktere« und in London nicht. Er sagt, er ist selbst so ein alter Charaktertyp, und erzählt jede Menge Geschichten darüber, wie er in London gelebt und auf Baustellen gearbeitet hat und auf der Kilburn High Road fast verrückt geworden wäre. Er macht Witze darüber, dass ich und Fiona zurückgekehrt sind, weil wir das Essen von unserer Mammy vermisst haben, und dass er sich nie daran gewöhnt hat, für sich alleine zu kochen, in London. Und er schwört bei Gott, das ist der Grund, warum er zurückgekommen ist. Und er hat überhaupt nicht lange gebraucht, bis er eine großartige Dub-Frau gefunden hat, und die ist auch verantwortlich hierfür, wenn er das mal sagen darf. Er tätschelt sich mit der Hand die Fettschürze, als er »hierfür« sagt. Es sprudelt noch immer aus ihm heraus, als wir aus dem Taxi aussteigen. Fiona drückt ihm einen Batzen Scheine in die Hand, und die Mädchen spur ten die Auffahrt hoch.
    Ich bewege mich als Letzter und habe mich noch nicht von der Rückbank des Taxis gehievt, als ein übelst lautes Jammern von der Haustür aus zu mir dringt. Als wäre Mam zur Fußmatte gestürmt und hätte sich einfach ein riesiges Fleischermesser in den Bauch gerammt. Sarah und Siobhan rufen: Oh Mam, oh Mam, und ziehen Fiona in ihre große Tränenumarmung mit rein, und Mam sagt ihnen, dass das Beatmungsgerät ausgeschaltet wurde. Was auch immer das heißen mag.
    Über die Köpfe der Mädchen hinweg wandert Mams Blick zu mir, und sie schüttelt wie wild den Kopf und hält sich die Hände vors Gesicht wie ein Stoppschild, als wäre das einfach zu viel, und als gäbe es ein Schmerzlevel, wo nichts mehr hilft, vor allem keine Worte. Die drei Mädchen müssen Mam halb ins Haus tragen, über die Schwelle, und sie laden sie auf einem Stuhl ab, der zwischen dem Weihnachtsbaum und dem niedrigen Telefontisch steht. Sie sagt ihnen, sie sollen sich beeilen und stark sein und sich verabschieden.
    Das Haus ist schon voll mit Freunden, Verwandten und traurigen Menschen. Manche von ihnen weinen. Manche versammeln sich um den Baum im Flur und starren wortlos auf den glitzernden Schmuck und die flackernde Lichterkette. Claire und Susan wurden zu Brenda Joyce in Balinteer gebracht, um mit ihren Girl’s-World -Sachen zu spielen, weil sie das alles zu sehr mitgenommen und auch verwirrt hat und sie zu jung sind, um den Tod so zu verstehen, wie es angeblich alle anderen tun. Für den Moment hat Tim Connell, der Pilot, das Ruder übernommen, und als ich zur Tür reinkomme, sagt er mir, als würde er mich zum ersten Mal im Leben sehen, dass es ihm leidtut, wie das hier alles gelaufen ist. Er schleift mich an Mam vorbei in die Küche, wo die Kaffeefrauen jede Menge Mince Pies gemacht und Weihnachtskuchenstücke auf Tellern drapiert haben, falls uns der nahende Tod unbändigen Hunger auf Yuletide-Snacks beschert. Sie nennen mich einen armen Kleinen und klopfen mir auf die Schulter und sagen mir, dass ich jetzt der Mann im Haus bin.
    Tim sagt mir, dass es Dad schon seit Wochen so geht, fast schon seit Monaten, und dass es Mam furchtbar mitgenommen hat, aber keiner wollte, dass ich und Fiona uns zu große Sorgen machen, weil wir eh da drüben in London waren und nichts tun konnten. Er sagt, dass alle gedacht haben, Dad schafft es bis über die Feiertage, doch leider hat es nicht sollen sein. Er sagt, ohne die Beatmungsmaschine hat Dad bloß noch ein paar Stunden Atmen in sich. Und dass er die Nacht sicher nicht überlebt. Und dann sagt er mir, dass das Feuer fast aus ist und dass er mich besser in Ruhe lässt und ein paar mehr Briketts aus der Garage holt.
    Mam taucht neben mir auf. Sie ist völlig aufgelöst und wird mir von den Kaffeemüttern übergeben. Es kostet sie ihre ganze Kraft, mich ihren Liebling zu nennen und mein Gesicht zu streicheln, und dann sackt sie für eine riesige Umarmung auf meine Schultern und sagt, das hier sind furchtbare Zeiten. Furchtbare Zeiten. Sie sieht ungefähr hundert Jahre alt aus. Ihr Gesicht ist ganz rot, mit einer Million Furchen, und es ist tränennass. Bald ist er frei, sagt sie. Frei von alledem.
    Sie sagt mir, ich soll mich verabschieden und dass Tante Una bei ihm oben ist und Wache hält. Dann packt sie mich fest bei beiden Armen und fragt, ob ich sicher bin, dass ich das kann. Bist du stark genug?, fragt sie und warnt mich anschließend, dass mich das auf die Probe stellen und mich nie wieder loslassen wird.
    Ich nicke und
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