Nicht von dieser Welt
sein, aber beim Humor sind wir noch auf der Stufe eurer Neandertaler.“
Ich muss grinsen. Obwohl ich eigentlich sauer bin. Ich schüttle ungläubig den Kopf. Er wird leicht unsicher.
„Was?“
„War das gerade etwa ein Anflug von Ironie?“, frage ich ihn. „Als wir uns kennengelernt haben, wusstest du nicht einmal, was Ironie ist!“
„Wir sind entwicklungsfähig.“
„Schon wieder!“
Ich grinse. Er grinst. Wir schauen uns schweigend an. Plötzlich sagt er:
„Ich bin durch dich ein anderer Mensch geworden.“
Wie er diesen Satz sagt, wie er mich dabei anschaut. Das geht mir so sehr unter die Haut, dass ich auf der Stelle mit ihm davonlaufen will. Trotz allem. Doch genau in diesem Moment rollt eine erste ernstzunehmende Wehe durch meinen Körper. Ich komme also um eine Antwort herum und sage einfach nur:
„Guck mal auf die Uhr!“
Die Zeitabstände bei den Wehen sind bekanntlich der beste Indikator, ob die Geburt naht. Bei mir ging es dann sehr schnell von „alle zehn Minuten“ auf „minütlich“. Und während ich eigentlich noch an dem knabbere, wie ich nun mit Malo umgehen soll, werde ich auch schon in den Kreißsaal gebracht. Mit ihm an meiner Seite. Irgendwann sind die Wehen so heftig, dass alles andere vergessen ist. Das hat die Natur schon geschickt eingerichtet. Ich liege also im Kreißsaal auf diesem Multifunktionsstuhl mit Malo, dessen Arm ich bei jeder Wehe malträtiere, und einer entspannten Hebamme, die es sich zwischen meinen Beinen gemütlich macht, als eine andere Hebamme hereinkommt und sagt:
„Äh, da is draußen ein Mann, der sacht, er is Ihr Mann!“
Konstantin. Dann doch. Ich kann das mit Mühe und Not erklären. Malo will sofort rausgehen und Konstantin den Platz an meiner Seite überlassen. Für eine Sekunde spüre ich, dass mir das gar nicht gefällt. Aber irgendwie kann ich es nicht bringen, Konstantin abzuweisen. Also schlage ich vor, dass Malo auf Ben aufpasst, während Konstantin bei mir ist. Malo geht raus, kommt kurz darauf zurück: „Er will mir Ben nicht geben. Er hat Angst, dass ich ihn entführe.“
Ich vermute, so eine Hebamme hat schon einiges erlebt, aber da hat sie dann doch doof geguckt.
„Und wieso sagt er mir das nicht selbst?“
„Er darf Ben hier nicht reinbringen. Will ihn aber auch nicht alleine lassen.“
Eine Wehe rollt durch meinen Körper. Das sind mittlerweile ganz schön fiese Biester. Ich atme sie weg. Kralle mich an Malo fest. Der geduldig auf eine Antwort wartet. Als ich wieder Luft bekomme, frage ich die Hebamme: „Kann Ihre Kollegin auf meinen Zweijährigen aufpassen?“
„Also, das ist schon ein bisschen ungewöhnlich …“
„Bitte!!!“
Die Hebamme weiß: Mit Frauen in den Wehen lässt sich schwer diskutieren. Sie stimmt zu. Malo geht mit dem Vorschlag nach draußen. Ich höre Stimmen auf dem Flur. Konstantin ist dabei. Eine weitere Wehe reißt mich raus. Hammerwehe! Als ich die Augen wieder öffne, steht Malo vor mir. Meine Hand ist tief in das Fleisch seines Arms gebohrt. Das habe ich gar nicht mitbekommen. Wieso in aller Welt ist ER schon wieder da?
„Konstantin will Ben nicht bei der Hebamme lassen, wenn ich auch draußen bin.“
„Konstantin!!!“
Ich habe noch nie in meinem Leben so geschrien. Zumindest nicht seinen Namen. Keine zwei Sekunden später steht er in der Tür. Mit diesem Wir-gehen-in-die-Berge-Blick. Aber auch ein wenig eingeschüchtert.
„Verdammte Scheiße, du kommst jetzt her und lässt Malo auf Ben aufpassen! Verstanden?“
Danach war er dann richtig eingeschüchtert. Denn mein Satz ging nahtlos in eine weitere absolut tödliche Presswehe über und was auch immer ich dabei für ein Bild/eine Akustik abgegeben habe: Wenig später ist es Konstantins Armfleisch, in das sich meine Fingernägel bohren. Und Malo ist draußen bei Ben. Danach kam dann die Geburt. Ich erspare allen zarten Gemütern die Details. Für die, die noch nie ein Kind bekommen haben, nur das Zitat einer Freundin: „Das ist, wie wenn du einen Backstein quer kacken würdest.“
Letztlich war dies natürlich der ultimative Test. Für Malo. Er hätte ohne Probleme mit Ben davonspazieren können. Auf seinen Planeten oder wohin auch immer. Und wir hätten nichts dagegen unternehmen können. In dieser Nacht schon mal gar nicht.
Ich liege nun hier im Familienzimmer des St.-Joseph-Krankenhauses, genieße die aufgehende Sonne, die an diesem kalten Wintertag hereinscheint und betrachte „meine Familie“: Auf meiner Brust liegt
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