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Nicht so laut vor Jericho

Nicht so laut vor Jericho

Titel: Nicht so laut vor Jericho
Autoren: Ephraim Kishon
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erschien ein leuchtendes, glückseliges Lächeln. Schabbataj taumelte und mußte sich an seinem Sessel festhalten.
    »Aber warum…« flüsterte er mit ersterbender Stimme. »Ich bin doch fertig… was habe ich Ihnen getan… warum…«
    In diesem Augenblick entließ Taddeusz seinen Gnom, staubte ihn ab und geleitete ihn hinaus. Wir waren allein.
    Noch nie zuvor hatte ich so klar erkannt, daß der Mensch ein Spielball in der Hand des Schicksals ist. Es erschien mir durchaus vorstellbar, daß dies alles mit Mord und Totschlag enden könnte, ohne irgend jemandes Verschulden, ganz wie in der griechischen Tragödie. Unerträgliche Spannung lag im Raum. Die Lippen des Neueinwanderers bewegten sich in lautlosen Konvulsionen. Auch seine Nase bebte. Täte ich jetzt nur den kleinsten Schritt zu Schabbataj hin – kein Zweifel: Taddeusz würde zusammenbrechen.
    Schabbataj hielt seine brennenden orientalischen Augen regungslos auf mich gerichtet. Das Rasiermesser zitterte in seiner Hand.
    Grienspan hatte uns den Rücken gekehrt und zählte den Inhalt der Kassa, aber seine Gleichgültigkeit war nur gespielt: plötzlich wandte er sich um und streifte mich mit einem waidwunden Blick, ehe er die Tätigkeit des scheinbaren Geldzählens wieder aufnahm. Er liebte mich und wollte es bloß nicht allzu deutlich zeigen.
    »Bitte«, sagte ich mit heiserer Stimme, »entscheiden Sie selbst. Ich kann nicht…«
    Niemand rührte sich. Drei Augenpaare starrten mich an, und jedes von ihnen schien zu sagen:
    »Nimm mich… mich mußt du nehmen…«
    Vielleicht ließ sich ein Kompromiß finden, vielleicht könnten die drei mir abwechselnd die Haare schneiden, oder wir spielen Russisches Roulette, einer gewinnt und die beiden anderen erschießen sich… wenn nur diese gräßliche, grauenhafte Stille nicht länger anhält…
    Zwanzig Minuten mochten vergangen sein, oder auch eine halbe Stunde. Taddeusz weinte.
    »Also«, flüsterte ich. »Könnt ihr euch nicht entscheiden?«
    »Uns ist es gleichgültig, Herr«, stieß Schabbataj hervor. »Sie haben zu wählen…«
    Und die drei Augenpaare starrten mich weiter an.
    Ich trat vor den Spiegel und fuhr mit der Hand durch mein schlohweißes Haar. In dieser halben Stunde war ich um Jahre gealtert. Und eine Lösung war noch immer nicht abzusehen.
    Ohne ein Wort zu äußern, verließ ich den Laden. Ich habe ihn seither nie wieder aufgesucht. Ich lasse mein Haar wachsen, lang, länger, im Hippie-Stil.
    Wäre es möglich, daß dieser Stil in einem Friseurladen mit drei Friseuren geboren wurde?
     

Alltag eines Berufshumoristen
     
     
    Die abschließende Geschichte verlangt eine juristische Klarstellung: »Jede Ähnlichkeit mit einer tatsächlich lebenden Person und mit tatsächlich erfolgten Geschehnissen ist beabsichtigt.« Vielen Dank.
     
    Der Berufshumorist erwachte wie gewöhnlich in übler Laune. Er hatte im Traum eine traumhaft humorvolle Geschichte geschrieben und gerade als es zur Pointe kam, war er aufgewacht.
    Mit einem bitteren Geschmack im Mund erhob er sich vom Lager. In der letzten Zeit wollte nichts mehr klappen. Vergangene Woche zum Beispiel, während er auf der Couch lag und vor sich hindöste, hatte er eine wirklich lustige Szene zu konstruieren begonnen – und gerade als es zur Pointe kam, war er eingeschlafen.
    Kein Zweifel, es ging bergab mit ihm. Auch die Vitamintabletten, die er seit einem Monat einnahm, halfen nichts. Erst vor wenigen Tagen hatte ihm der Feuilletonredakteur der Zeitung, die seine Beiträge bisher unbesehen zu drucken pflegte, ein Manuskript zurückgeschickt, eine ausgezeichnete Satire über einen Steuerträger, der sich genau an den statistisch errechneten Lebenskostenindex seiner Einkommensklasse hielt und dessen Skelett noch immer nicht identifiziert war. Der Redakteur fand, das sei keine Satire, sondern eine Reportage und in keiner Weise komisch.
    Das wagte man ihm zu sagen! Ihm! Nach zwanzigjähriger Tätigkeit in der Humorindustrie!
    Er begann, sich anzukleiden. Selbstverständlich machte der Gummizug seiner Unterhose schlapp, und der Knopf seines Hemdkragens blieb ihm in der Hand.
    Nun, so etwas muß man ausnützen. Er wird sofort eine Serie über die Tücken der Unterwäsche schreiben, betitelt: ›Neues aus der Unterwelt‹. Jetzt gleich. Er setzt sich hin und greift nach dem Notizbuch, in dem er – streng nach Sachbegriffen geordnet – seine Einfälle festhält. Unterwäsche und Oberhemd. Die obere Unterwäsche. Wäre kein schlechter Reklameslogan für
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