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Nicht so laut vor Jericho

Nicht so laut vor Jericho

Titel: Nicht so laut vor Jericho
Autoren: Ephraim Kishon
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ganz zu schweigen.
     
    »Ephraim«, fragte mich eines Tages die beste Ehefrau von allen. »Ephraim, bin ich dick?«
    »Nein, Frau«, antwortete ich, »du bist nicht dick.«
    »Aber du bist dick!«
    »Ach so? Dann muß ich dir allerdings sagen, daß du noch viel dicker bist.«
    In Wahrheit ist niemand von uns beiden »dick« im buchstäblichen Sinne des Wortes. Die beste Ehefrau von allen mag vielleicht an einigen Ecken und Enden ihres Körpers gewisse Rundungen aufweisen, und was mich betrifft, so sehe ich im Profil manchmal ein wenig schwammig aus. Aber das sind mehr persönliche Eindrücke als das Verdikt der Waage.
    Trotzdem und für alle Fälle traten wir mit einer der Gewichtsüberwachungsstellen in Verbindung, wie sie heute im Schwange sind. Die Freundinnen meiner Frau wissen wundersame Geschichten von diesen Kontrollstationen zu erzählen, die dem leichten Leben der Schwergewichtler ein Ende setzen. Zum Beispiel haben sie das Gewicht eines stadtbekannten Friseurs derart verändert, daß er jetzt 40 kg wiegt statt 130, und ein Theaterdirektor soll in zwei Monaten von 90 kg auf den absoluten Nullpunkt gesunken sein.
    An einer Zweigstelle der erwähnten Organisation wurden wir von einer Direktrice und einem spindeldürren Dozenten in Empfang genommen. Noch wenige Monate zuvor – so berichteten seine hingerissenen Schüler – wurden zwei Sitzplätze frei, wenn er aus dem Autobus ausstieg; heute tritt er gelegentlich in einem »Grand Guignol«-Stück als Gespenst auf…
    Der Dozent gab uns ohne Umschweife die Grundlagen des Kommenden bekannt: Über jeden Abmagerungskandidaten wird ein eigenes Dossier angelegt. Gegen geringes Aufgeld wird er einmal wöchentlich einer mündlichen Gehirnwäsche unterzogen und bekommt ein schriftliches Menü. Man muß nicht gänzlich auf Nahrungszufuhr verzichten, man muß nur bestimmte Dinge aufgeben, einschließlich der Geschmacksnerven. Kein Brot, kein Weißgebäck, keine Teigwaren, keine Butter. Nichts, was Fett, Stärke oder Zucker enthält. Statt dessen Kohlrabi in jeder beliebigen Menge, ungesäuertes Sauerkraut und aus dem Wasser gezogenen Fisch. Zwei Gläser Milch pro Tag. Keinerlei sportliche Betätigung, weil sie den Appetit anregt. Besonders empfohlen: einmal wöchentlich eine Stunde lang ausgestreckt auf dem Boden liegen und dazu lauwarmes Wasser trinken. Nach Ablauf von sieben Tagen wird man auf der Kontrollstelle gewogen, und wenn man kein Gewicht verloren hat, ist man selber schuld und soll sich schämen. Hat man Gewicht verloren, wird man anerkennend gestreichelt.
    »Ausgezeichnet«, sagte ich. »Wir sind sehr zärtlichkeitsbedürftig.«
    Die Direktrice führte uns in einen andern Raum, wo wir eine Waage besteigen mußten, ohne Schuhe, aber mit dem kompletten Inhalt unserer Taschen. Das Resultat war niederschmetternd:
    »Es tut mir leid«, sagte die Direktrice. »Sie können das erforderliche Übergewicht nicht beibringen.«
    Mir wurde es schwarz vor den Augen. Nie hätte ich geglaubt, daß man uns einer solchen Formalität halber des Rechts auf Abmagerung berauben würde. Schließlich fehlten mir nur drei Kilo zu einem amtlich beglaubigten Fettwanst, und meine Frau, obschon von kleiner Statur, wäre mit einem Zuschlag von eineinhalb Kilo ausgekommen. Aber die Gewichtsüberwacher ließen nicht mit sich handeln.
    So kehrten wir denn nach Hause zurück und begannen alles zu essen, was verboten war. Zwei Wochen später meldeten wir uns abermals auf der Kontrollstation, mit der begründeten Hoffnung, daß unserer Aufnahme nun nichts mehr im Wege stünde. Zur Sicherheit hatte ich meine Taschen mit 50 Pfund in kleinen Münzen vollgestopft.
    »Herzlich willkommen«, sagte die Direktrice nach der Abwaage. »Jetzt kann ich ein Dossier für Sie anlegen.«
    Hierauf erteilte uns der Dozent seine Instruktionen:
    »Drei große Mahlzeiten täglich. Sie dürfen sich nicht zu Tode hungern. Sorgen Sie für Abwechslung! Wenn Ihnen das Sauerkraut zu widerstehen beginnt, wechseln Sie zum Kohlrabi, und umgekehrt. Hauptsache: kein Fett, keine Stärke, kein Zucker. Kommen Sie in einer Woche wieder.«
    Sieben Tage und sieben Nächte lang hielten wir uns sklavisch an diese Vorschriften. Unser Käse war weiß und mager, unser Brot war grün von den Gurken, die es durchsetzten, unser Sauerkraut war bitter.
    Als wir am achten Tag die Waage bestiegen, hatten wir beide je 200 g zugenommen, und das mit leeren Taschen. »So etwas kann passieren«, äußerte der Dozent. »Sie müssen etwas strenger
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