Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nicht so laut vor Jericho

Nicht so laut vor Jericho

Titel: Nicht so laut vor Jericho
Autoren: Ephraim Kishon
Vom Netzwerk:
mit sich sein.«
    In der folgenden Woche aßen wir ausschließlich Kohlrabi der uns in eigenen Lieferwagen direkt vom Güterbahnhof zugestellt wurde. Und wirklich: wir hatten keine Gewichtssteigerung zu verzeichnen Allerdings auch keine Abnahme. Wir stagnierten.
    Der Zeiger der kleinen Waage, die wir für den Hausgebrauch angekauft hatten, blieb immer an derselben Stelle stehen. Es war ein wenig enttäuschend.
    In einer alten Apotheke in Jaffa entdeckte die beste Ehefrau von allen eine schlecht funktionierende Waage, aber dort stand die halbe weibliche Bevölkerung von Tel Aviv Schlange. Außerdem käme auf der Kontrollstation ja doch die Wahrheit heraus.
    Allmählich begann ich zu verzweifeln. Sollten wir für alle Ewigkeit bei unserem jetzigen Gewicht steckenbleiben? Wieso hatte meine Frau nicht abgenommen? Für mich selbst gab es ja eine Art Erklärung dieses Phänomens: mir war ein Gerücht zu Ohren gekommen, daß ich allnächtlich in die Küche ging, um mich dort über größere Mengen von Untergrund-Käsen und Resistence-Würstchen herzumachen…
    Die Rache des Kohlrabi, zu dem ich in den folgenden Wochen zurückkehrte, ließ nicht lange auf sich warten.
    In der siebenten Woche unserer Qual – die siebente Woche ist bekanntlich die kritische – fuhr ich mitten in der Nacht aus dem Schlaf hoch. Ich verspürte ein unwiderstehliches Bedürfnis nach dem betörenden Geruch und Geräusch von brutzelndem Fett. Ich mußte unbedingt sofort etwas Gebratenes essen, wenn ich nicht verrückt werden wollte. Ich war bereit, für ein paar lumpige Kalorien einen Mord zu begehen. Der bloße Gedanke an die Buchstabenfolge »Baisers mit Cremefüllung« ließ mich erzittern. Fiebervisionen von »Stärke« suchten mich heim. Ich glaubte den Begriff der »Stärke« in körperlicher Gestalt zu sehen: ein süßes, anmutiges Mädchen, das in einem weißen Brautkleid und mit wehendem Goldhaar über eine Wiese lief.
    »Stärke!« rief ich hinter ihr her. »Warte auf mich, Stärke! Ich liebe dich! I love you! Je t’aime! Ja tibja ljublju! Entflieh mir nicht, Stärke!«
    In der nächsten Nacht hatte ich sie tatsächlich eingeholt. Ich glitt aus dem Bett, schlich in die Küche, leerte einen vollen Sack Popcorn in eine Pfanne mit siedendem Öl, streute Unmengen von Zucker darüber und verschlang das Ganze auf einen Sitz. Und das war nur der Beginn des Kalorien-Festivals. Gegen Mitternacht stand ich am Herd, um Birnen zu braten, als plötzlich neben mir die fragile Gestalt der besten Ehefrau von allen auftauchte. Mit geschlossenen Augen strebte sie dem Wäschekorb zu und entnahm ihm etwa ein Dutzend Tafeln Schokolade, die sie sofort aus der Silberpapierhülle zu lösen begann. Auch mir bot sie davon an, und ich machte von ihrem Anerbieten wohlig grunzend Gebrauch.
    Mittendrin erwachte mein Abmagerungsinstinkt. Ich kroch zum Telefon und wählte mit letzter Kraft die Nummer der Überwachungs-Zweigstelle:
    »Kommen Sie schnell… schnell… sonst essen wir… Schokolade…«
    »Wir kommen sofort!« rief am andern Ende der Dozent. »Wir sind schon unterwegs…«
    Bald darauf hielt mit kreischenden Bremsen das Auto der Gewichtsüberwacher vor unserem Haus. Sie brachen durch die Tür und stürmten die Küche, wo wir uns in Haufen von Silberpapier, gebratenen Obstüberbleibseln und flüssiger Creme herumwälzten. Eine halbe Tafel Schokolade konnten sie noch retten. Alles andre hatte den Weg in unsere Mägen gefunden und hatte uns bis zur Unkenntlichkeit aufgebläht.
    Der Dozent nahm uns auf die Knie, rechts mich, links die beste Ehefrau von allen.
    »Macht euch nichts draus, Kinder«, sprach er in väterlich tröstendem Ton. »Ihr seid nicht die ersten, denen das zustößt. Schon viele unserer Mitglieder haben in wenigen Stunden alles Gewicht, das sie in Jahren verloren hatten, wieder zugenommen. Lasset uns von vorne anfangen.«
    »Aber keinen Kohlrabi!« flehte ich mit schwacher Stimme.
    »Ich beschwöre Sie: keinen Kohlrabi!«
    »Dann sei es«, entschied der Dozent, »nur grüner Salat…«
    Wir haben die Reihen der überwachten Gewichtsabnehmer verlassen. Wir waren völlige Versager.
    Manchmal sehe ich im Profil wieder ein wenig schwammig aus, und die beste Ehefrau von allen weist an einigen Stellen ihres Körpers wieder gewisse Rundungen auf. Na und? Gut genährte Menschen haben bekanntlich den besseren Charakter, sie sind freundlich, großzügig und den Freuden des Daseins zugetan, sie haben, kurzum, mehr vom Leben. Was sie nicht haben, ist
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher