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Nicht lecker, aber Weltrekord

Nicht lecker, aber Weltrekord

Titel: Nicht lecker, aber Weltrekord
Autoren: Katinka Buddenkotte
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abziehen will«, dachte ich zu laut. »Ich meine, dann kletterst du nach oben, auf der Warteliste.«
    Carol sah das überraschenderweise anders: »Ach, so wichtig ist es mir dann auch nicht.«
    Wenn man es schafft, Arlington zu verlassen, geht man unweigerlich auf die Innenstadt zu, die aus weiteren Kriegsdenkmälern besteht. Jeder Krieg hat sein eigenes, das für den Koreakrieg findet Carol am schönsten.
    »Es sieht so ordentlich aus«, lobte sie die Arbeit.
    Eine lange Mauer, in der die Namen sämtlicher Gefallener eingraviert sind, erinnert an den Vietnamkrieg.Die vielen, äußerst verwahrlost wirkenden Rollstuhlfahrer, die sich dort eingefunden hatten, erinnerten zusätzlich daran, dass ein Kriegsdenkmal nicht unbedingt eindrucksvoller wirkt, nur weil es schön ordentlich ist.
    »Das war kein guter Krieg«, gestand sogar Carol ein, als sie sah, wie ein Mann ohne Arme und Beine versuchte, einen Strauß Blumen niederzulegen.
    Wir schwiegen lange, und bevor eine von uns den Augenblick hätte zerstören können, begann das große Feuerwerk zu Ehren des Nationalfeiertages. Die Menschen, die mit riesigen Schildern gegen Präsident Obama demonstrierten, hörten auf mit ihrem Geschrei, die beiden Kriegsgegner, die sich an einen Baum gekettet hatten, befreiten sich gegenseitig von dem Klebeband auf ihren Mündern, und zusammen mit den vierhunderttausend Menschen starrten sie gebannt in den Himmel, und riefen: »Ohhh!« und »Ahhh!«.
    Es war fast so schön bunt wie das Grab von Elvis Aaron Presley.

Dollerup
    Durch die Windschutzscheibe starre ich perplex auf das Schild, das vor mir auf der Hauswand angeschlagen ist:
    Computerprobleme Fragezeichen.
    Immer her damit Ausrufezeichen.
    Etwas kleiner darunter steht noch der Absender:
    Michael Schickerhannes,
    der etwas andere Computerfachmann.
    Und es ist nicht die zweifelhafte Textbotschaft, die mich an dieser Reklametafel irritiert, es ist die Katze, die jemand daneben gemalt hat. Eine Comic-Katze, schwarzorange getigert, die auf eine Tastatur eindribbelt. Jeder Mensch, der nach 1945 und vor 1995 geboren wurde, könnte das Viech zweifelsfrei identifizieren, nämlich als: »Soll das etwa Garfield sein?«
    Und genau diese Frage beschäftigt auch mich. Wäre es möglich, dass der sehr späte Picasso irgendwann anonym in Dollerup, Schleswig-Holstein, gelebt hat, unddie einzige Spur, die er hier hinterließ, war eine Auftragsarbeit für Michael Schickerhannes, Computerfachmann, nämlich eben jenes Werk »Computerprobleme? Immer her damit!«
    Ich verwerfe den Gedanken. Erstens weiß ich nicht, ob sich Garfield, Picasso und Computer eine epochale Schnittmenge teilten, zweitens glaube ich nicht, dass man hier, in Dollerup, auch nur einen Tag lang anonym leben kann.
    Wie sähen die anderen Möglichkeiten aus? Hat Michael Schickerhannes selbst die Katzenfratze gemalt, die charakteristischen, verräterischen Streifen, einer Vision folgend, hinzugefügt, ohne den berühmten Garfield jemals gesehen zu haben? Vielleicht. Meinen bisherigen Beobachtungen zufolge kamen erst die Peanuts nach Dollerup, dann, im letzten Jahr, die Diddl-Maus. Dazwischen war nichts.
    In einer Weltstadt, sagen wir mal Köln, würde so ein Schild unweigerlich zum Eklat führen. Da klagen ja die »Bläck Föös« schon, wenn jemand auch nur unbefugt das Wort »Veedel« in den Mund nimmt, das haben die ja erfunden. Aber in Dollerup muss man sich keine Sorgen um juristische Erbsenzählerei machen. Hier gibt es keine Gerechtigkeit. Dafür ist meine Mutter seit zwei Stunden hier. Keiner entgeht seinem Schicksal, auch ich nicht.
    Wenn ich mich selbst versteckt hätte, wäre ich wahrscheinlich schon gefunden worden, aber mehrere glückliche Zufälle spielten mir in die Hände. Zunächst bin ich durch reichlich Buschwerk genügend getarnt. Dasstammt aus den drei Gartencentern, die meine Schwester, meine Mutter und ich bisher abgeklappert haben. Das Auto, indem ich mit besagten Büschen, vierzehn Sack Rindenmulch und ein paar Zierpflanzen hocke, befindet sich auf dem Parkplatz des vierten Gartencenters von Dollerup. Mutter und meine Schwester sind immer noch dort und schon etwas durcheinander. Sie dachten wohl, ich sei der neue Hund, weil ich nicht gut höre und außerdem während des Einparkens das Katzen-Computerschild angeknurrt habe. Meine Schwester verabschiedete sich daraufhin mit einem unmissverständlichen »Nein!« von mir, und als ich ihren erhobenen Zeigefinger unterwürfig leckte, sagte sie: »Fein!« und
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