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Nicht lecker, aber Weltrekord

Nicht lecker, aber Weltrekord

Titel: Nicht lecker, aber Weltrekord
Autoren: Katinka Buddenkotte
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voll in Ordnung. Er ist der Bruder von Campino.«
    »Das ist ja spannend«, meldete Sören sich zu Wort, »ich bin nämlich sein Cousin.«
    In diesem Augenblick war uns klar, dass wir die Schlacht verloren hatten. Und den Krieg. Zum Glück sahen die Eroberer davon ab, uns mit Pocken zu infizieren und uns ihre Altkleidersammlung aufs Auge zu drücken. Sie verzichteten sogar darauf, uns in ein Reservat zu schicken, wahrscheinlich nahmen sie an, unsere Wohnung sei Strafe genug.
    Sie taten etwas viel Schlimmeres. Sie verabschiedeten sich freundlich und gingen betont langsam die Treppen hinunter. Wir hörten noch, wie sie diskutierten, ob sie zuerst das Gesundheitsamt anrufen sollten oder ob Wanda zunächst noch ihre Doktorarbeit über uns schreiben dürfe. Wahrscheinlich hat uns ihr Ehrgeiz vor einer sofortigen Quarantäne gerettet.
    Unsere WG löste sich schließlich auch so, ohne Fremdeinwirkung, auf, wenn auch nur im übertragenen Sinne. Zuerst zog das Betttuch, dessen Namen wir nie erfahren haben, aus. Olli ging eines Tages das Altglas wegbringen und kam nicht zurück. Wir anderen wurden erwachsen. Jedes Mal, wenn uns ein Designer im Flur freundlich grüßte, trieb es uns die Schamesröte ins Gesicht. Obwohl wir wussten, dass wir ihre Evolutionsstufe nie erreichen würden, gaben wir nicht auf. Wennsie eine Galerie eröffneten, kämmten wir uns die Haare. Gründeten sie eine hippe Zeitschrift, schrieben wir zumindest eine Bewerbung. Als sie ein Gartenfest organisierten, zogen wir aus. Zu groß war die Schmach, dass wir in all den Jahren den Garten hinter dem Haus nicht einmal entdeckt hatten.
    Es hat uns in alle Himmelsrichtungen zerstreut, aber manchmal treffe ich André, der mit Susann in einer schnuckeligen 2-Zimmer-Wohnung lebt. Alles ist sauber und ordentlich, aber durchaus erträglich. Die Designer gibt es immer noch, berichtete mir André. Ihr Aktionismus sei ungebrochen, erst vor wenigen Wochen hätten sie die Straße absperren lassen, um die größte fleischlose Bratwurst der Welt zu grillen.
    »Und, hat es geklappt?«, fragte ich ihn, obwohl ich die Antwort schon kannte.
    »Schon«, sagte André, »allerdings mussten sie die auf über vierhundert Einmal-Grills braten, aus technischen Gründen. Das ist nicht gerade politisch korrekt, finde ich.«
    Genugtuung überkam mich. Wenn die Designer irgendwann den Landtag und die Kunstakademie übernehmen wollen, wird ihnen diese schmutzige kleine Geschichte das Genick brechen, da bin ich mir sicher.
    »Wie hat die Wurst denn geschmeckt?«, fragte ich noch, und André antwortete: »Nun ja. Nicht lecker, aber Weltrekord.«
    Das, dachte ich, hatten wir mit unserer Wohnung schon vor zehn Jahren erreicht. Wir waren den Designern eben immer ein paar Schritte voraus.

Wie geil ist das denn?
    Mitfahrgelegenheiten bieten nicht nur eine hervorragende Gelegenheit, seinen Horizont zu erweitern, sondern auch die Möglichkeit, unschätzbare Kontakte auf beruflicher und privater Ebene zu knüpfen. Nicht selten wurden mir wahre Geschichten von echten Menschen erzählt, die lediglich geplant hatten, bequem und schnell von Köln nach Berlin zu reisen, aber der Zufall (oder war es das Schicksal?) hatte es gewollt, dass Fahrer und Mitfahrer sich auf Anhieb so gut verstanden, dass sie schon kurz hinter Hannover am Rasthof Garbsen unter Zuhilfenahme zweier Plastikpommesgabeln Blutsbrüderschaft schlossen.
    Eine gemeinhin als zurechnungsfähig bekannte Freundin berichtete mir von legendären Nachtreffen auf der A40, denen sie jedes Jahr beiwohne, natürlich angetan mit einem T-Shirt, welches verkündet »I survived the Superstau 1995«. Zwei der Gründungsmitglieder dieser Seilschaft, die einst vierzehn Stunden im Fiesta gefangen war, seien mittlerweile sogar miteinander verheiratet. Natürlich wurde die Ehe standesgemäß in der Autobahnkappelle geschlossen, und statt einanderRinge anzustecken, ließen sich die Brautleute das amtliche Kennzeichen K-ZL 2567 um die Finger tätowieren. Nachwuchs sei auch schon auf dem Wege, ein Junge, den die Eltern Harrison zu nennen gedenken, weil Ford in Deutschland nicht als Vorname gilt.
    Irgendetwas haben mein Freund und ich bisher also falsch gemacht.
    »Vielleicht sind wir einfach etwas zu …«
    Ich suche nach dem passenden Wort, während mein Freund versucht, seine Brötchenhälfte dergestalt zurechtzuschneiden, dass die Schinkenscheibe kongruent aufliegt.
    »… unflexibel«, beende ich den Satz.
    Mein Freund starrt auf seinen Teller, wieder kein
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