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Nicht die Bohne!

Nicht die Bohne!

Titel: Nicht die Bohne!
Autoren: Kristina Steffan
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Ist das nicht toll?«, flötet sie. Sekunden später trötet der debile Elefant lautstark durch das Wohnzimmer, und Andrea fasst mich am Arm, um mich vor sich her in die Küche zu schieben. Sie nimmt mir den Mantel ab und legt ihn sorgfältig über eine Stuhllehne. Dann montiert sie mich genauso energisch wie gerade eben Julian auf einem der Küchenstühle und setzt sich schwungvoll daneben.
    »Also?« Lauernd betrachtet sie mich. Ich ziehe die Mütze vom Kopf und ordne mit zittrigen Fingern meine Haare, um Zeit zu gewinnen. Die brillante Idee, meine schwangerschaftserfahrene Schwester zu befragen, kommt mir just in diesem Moment gar nicht mehr so brillant vor. Was passiert, wenn sie technisches Versagen bei diesen kleinen Plastikröhrchen, die die Zukunft voraussagen können, für ausgeschlossen hält?
    »Paula! Du siehst aus, als ob du jeden Moment auf meinen zum Glück abwischbaren Küchenfußboden kotzen musst. Was ist los?«
    Betreten schaue ich ihren Küchenfußboden an. Fliesen in Rosa. Pardon: Terrakotta. Abwaschbar, definitiv. Ein Grund zur Freude. Also sage ich leise: »Ich bin schwanger!«
    Schweigen. Andrea starrt mich an.
    Ich sollte an dieser Stelle kurz erwähnen, dass ich Kinder nicht besonders gut leiden kann. Ganz vorsichtig ausgedrückt: Ich bekomme keine tränennassen Augen, wenn mir jemand mit Stolz und Muttermilch gefüllter Brust seinen frisch gepressten Nachwuchs unter die Nase hält und ein Lob erwartet. Meistens finde ich diese kleinen Wesen sogar sehr befremdlich, und noch befremdlicher finde ich diese Wesen, wenn sie heranwachsen und mit dreckigen Händen an mir herumtatschen und Krach machen. Genauso befremdlich finde ich Mütter, also die Produktionsleiterinnen dieser kleinen, dreckigen Wesen. Wenn die sich nämlich mit wissendem Lächeln über Windelinhalt und blutige Brustwarzen unterhalten, verfalle ich in eine Art Schockstarre. In meinem fortgeschrittenen Alter von zweiunddreißig Jahren ist es allerdings fast unmöglich, diesen Müttern aus dem Weg zu gehen, da sie sich in meinem Freundes- und Bekanntenkreis stetig vermehren.
    Meine Schwester weiß das alles. Deswegen starrt sie mich schweigend an, ungefähr so, wie man eine Osterglocke zu Weihnachten anstarren würde. Nach einigen Sekunden steht sie wortlos auf und geht zum Kühlschrank. Sie öffnet die mit Kinderbildern behängte Tür und zieht eine Flasche Martini Bianco hervor. Ohne mich eines Blickes zu würdigen, dreht sie den Deckel ab und nimmt einen tiefen Schluck. Ich öffne den Mund und möchte sie dezent auf die prekäre Situation hinweisen, in der ich stecke, als sie mich ansieht und erneut die Flasche ansetzt. Da der Konsum von alkoholischen Getränken vor der Tagesschau von meiner Schwester als Kapitalverbrechen geahndet wird, bedeutet das wohl, dass es noch schlechter um mich steht als befürchtet, und ich breche in Tränen aus.
    Seufzend dreht sie die Flasche wieder zu, stellt sie zurück und setzt sich neben mich. Dann holt sie – verbal, versteht sich – zum Schlag aus: »Bist du denn zu blöd zum Verhüten?«
    Mir klappt der Unterkiefer runter, und ich verschlucke mich an der ganzen Rotze in meinem Hals. Prustend ringe ich nach Luft. Andrea zerrt ein zerfetztes Taschentuch, die Grundausstattung einer jeden Mutter, aus ihrer Hosentasche und hält es mir entgegen.
    Das Taschentuch ist feucht. Vermutlich hängen mindestens eine Million Kinderrotzbakterien seit Tagen darin herum, aber mein Mut reicht nicht aus, um sie um ein frisches zu bitten. Beherzt leere ich meinen Naseninhalt in den feuchten Papierstoff und wische mir mit dem Ärmel meines Shirts die Tränen weg.
    »Jetzt erzähl mal«, fordert Andrea mich in etwas sanfterem Tonfall auf, und ich zerre den Schwangerschaftstest aus meiner Handtasche.
    »Können die sich irren?«, schluchze ich und halte ihr das Plastikröhrchen unter die Nase. Andrea nimmt das weiße Ding ohne jegliche Berührungsangst entgegen (immerhin habe ich da draufgepinkelt, aber Mütter schockt so ein bisschen Pipi anscheinend nicht mehr) und betrachtet das kleine blaue Kreuz.
    »Wie lange bist du denn überfällig?«, fragt sie.
    »Sechs Tage«, antworte ich wie aus der Pistole geschossen.
    »Na ja, Süße«, sagt Andrea leise und greift vorsichtig nach meiner Hand. »Die Dinger sind da schon ziemlich sicher.«
    Als sie meinen frohlockenden Gesichtsausdruck bei dem Wort ziemlich sieht, setzt sie hinzu: »Eigentlich hundert Prozent sicher, wenn sie positiv ausfallen. Es geht um dieses
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