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Nicht die Bohne!

Nicht die Bohne!

Titel: Nicht die Bohne!
Autoren: Kristina Steffan
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davor Platz zu nehmen.
    Ich setze mich und sage: »Äh!« Mein Hirn ist noch mit dem Verarbeiten der Bilder auf dem Plakat beschäftigt, und ich brauche ein paar Sekunden, um mich zu sortieren.
    »Ich bin schwanger«, flüstere ich dann schließlich, und weil mich der Doktor so freundlich und einfühlsam anblickt, schießen mir die Tränen in die Augen.
    »Na«, sagt er und reicht mir eine Kleenexbox, die er unter seinem Schreibtisch versteckt zu haben scheint. »Das ist ja erst mal kein Grund zum Weinen!«
    »Haben Sie eine Ahnung«, erwidere ich zaghaft und erzähle ihm, warum es eben doch ein Grund zum Weinen ist. Die Tatsache, dass ich Kinder nicht mag, lasse ich in diesem Bericht allerdings weg. Das erscheint mir einem Menschen gegenüber, der hauptberuflich Kinder zur Welt bringt, irgendwie unpassend.
    Aber die Fakten sprechen auch so für sich. Nachdem ich meine dramatische Darstellung beendet habe, sagt er nachdenklich: »Lassen Sie uns mal schauen«, und deutet auf seinen von mir sehr gefürchteten Untersuchungsstuhl. Nichts ist erniedrigender, als sich unten herum frei zu machen und genau dort Platz zu nehmen. Aber heute habe ich es eilig. Ich reiße mir förmlich die Klamotten vom Leib, während er wieder das Licht dimmt und dabei irgendetwas erzählt. Das soll wohl der Beruhigung dienen, aber ich habe gerade keinen Kopf für Geplapper und denke nur: Mach hin, Gynäkologe!
    Außerdem ist mir schlecht – um genau zu sein: kotzübel. Geübt schiebt er den Ultraschallkopf in mich hinein und blickt dann aufmerksam auf seinen Bildschirm. Er brummt ein bisschen vor sich hin, und ich kneife die Augen zu.
    Erst sein fragendes »Frau Schmidt?« veranlasst mich, sie wieder zu öffnen.
    »Ja?«, frage ich zurück und vermeide den Blick auf den Bildschirm, indem ich ihm fest in die braunen Augen starre.
    »Wann genau hatten Sie ungeschützten Geschlechtsverkehr?«, erkundigt er sich und tippt einhändig auf der Tastatur des Gerätes herum. Ich antworte knapp: »Vor etwa vier Wochen.«
    »Dann ist das ein wenig ungewöhnlich«, kommt seine Antwort.
    Ich presse ein: » WAS ist ungewöhnlich?« hervor.
    »Schauen Sie mal!«, fordert er mich energisch auf, und ich folge langsam seinem Blick.
    Da blubbert was. Auf dem sonst so dunklen Bild des Monitors sehe ich eine kleine, weiß umrandete Bohne. Zumindest sieht das Ding so aus, und es beherbergt etwas, das im Rhythmus einer schnell laufenden Nähmaschine vor sich hin zuckt.
    »Was ist das?«, hauche ich schwach.
    »Das Herz«, antwortet er ernst und bewegt den Schallkopf ein wenig hin und her. Das Bild wird noch deutlicher. Vielleicht ist mir das Herz in die Hose gerutscht? Wie gebannt betrachte ich das zuckende Etwas auf dem Bildschirm.
    Da schlägt also ein Herz in mir. Ein zweites Herz. Und dieser bescheuerte Arzt zeigt es mir auch noch. Vermutlich ist das Absicht. Er will dieses Herz zur Welt bringen. Purer Eigennutz. Er glaubt, wenn er es mir zeigt, kann ich es nicht mehr »wegmachen« lassen.
    »Es ist ungewöhnlich, dass man den Herzschlag so früh schon so deutlich sehen kann«, sagt Dr. Ganter und lächelt mich an. Ja klar, es ist also ein Zeichen, füge ich seinen Worten im Stillen hinzu.
    Dr. Ganter beendet den Ultraschall, und ich darf mich anziehen. Verwirrt und leicht zittrig nehme ich wieder auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch Platz.
    »Sie sind jetzt am Ende der fünften Schwangerschaftswoche«, informiert er mich. Ich bin nicht gut in Kopfrechnen, aber selbst ich bemerke, dass das nicht stimmen kann. Er sieht meinen verwirrten Gesichtsausdruck und erklärt: »Man geht bei der Berechnung vom ersten Tag Ihrer letzten Periode aus. Insgesamt ergeben sich daraus dann die vierzig Schwangerschaftswochen.«
    Dr. Ganter lächelt mich mitfühlend an. »Sie sollten da noch mal drüber nachdenken, Frau Schmidt. Es ist nicht das Ende der Welt. Es ist nur ein Kind.« Und mit diesen Worten überreicht er mir ein kleines Stück Papier. Ein Herzschlagbild. Na toll, er hat sogar ein Beweisfoto gemacht und nötigt es mir nun auf.
    »Haben Sie jemanden, mit dem Sie darüber sprechen können?«, höre ich ihn aus weiter Ferne fragen, während ich auf das Bohnenbild starre. »Vor einem Abbruch muss immer ein Beratungsgespräch geführt werden. Die Menschen hier«, er reicht mir erneut ein Stück Papier, nur diesmal mit einer Adresse drauf, »kennen sich mit der Situation, in der Sie stecken, sehr gut aus. Wenn Sie Probleme haben, mit Ihrem privaten Umfeld darüber zu
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