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Nicht die Bohne!

Nicht die Bohne!

Titel: Nicht die Bohne!
Autoren: Kristina Steffan
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zusammenleben, um Eltern zu sein. Das wäre zwar der Idealfall, aber es kann auch anders funktionieren.« Angesichts ihrer nüchternen Situationsanalyse nickt sie zufrieden und tätschelt meine Hand. »Vielleicht solltest du jetzt mal Olaf anrufen. Du bist ja schließlich nicht ganz allein mit diesem Problem.«
    Das sehe ich zwar anders – immerhin bin ich diejenige, die eine Bohne mit Herzschlag in ihrem Bauch beherbergt –, aber ich bringe kein Wort heraus und entziehe ihr vorsichtig meine Hand.
    »Lass uns heute Abend telefonieren!«, sagt Andrea energisch und steht auf. Als die Haustür hinter ihr ins Schloss fällt, muss ich wieder heulen. Diesmal zum Glück keine drei Stunden, sondern nur zehn Minuten.
    In diesen zehn Minuten fälle ich allerdings eine ganz elementare Entscheidung: Sobald ich mit dem Heulen wieder aufhören kann, werde ich Olaf anrufen. Ohne Umschweife, ohne vorher noch duschen zu gehen, ohne vorher noch einen Kaffee zu trinken. Punkt. Das Einzige, was ich vorher noch erledige, ist, mir ausgiebig die Nase zu putzen, dann presse ich mit eiskalten Fingern das Handy an mein Ohr. Es klingelt zweimal, dann fragt Olaf barsch: »Ja?«
    Erschrocken zucke ich zusammen. »Äh, ich bin’s, Paula«, antworte ich vorsichtig.
    »Ich kann lesen!«, faucht er mich an. Hmmm, wunderbar! Ein beleidigter Exfreund als Vater meines Bohnenproblems. Der Tag hat Potenzial, das muss ich ihm lassen.
    »Das ist schön«, antworte ich freundlich und füge noch den weltweit anerkannten Problemerkennungssatz »Wir müssen reden!« hinzu.
    »Wir müssen ganz bestimmt nicht mehr reden!«, schnaubt er.
    »Doch. Müssen wir!«, beharre ich. Der arme Kerl hat ja keine Ahnung, wie dringend wir reden müssen.
    »Paula, es ist alles gesagt. Ruf mich bitte nicht mehr an!« Mit diesen Worten legt er auf. Bestürzt starre ich auf mein schweigendes Handy. Dann schnappe ich nach Luft und sinke in mich zusammen. Er ist beleidigter, als ich dachte. Verdammte Axt.
    Wir waren fünf Jahre zusammen. Da ich zweihundertachtzig Tage gebraucht habe, um mich zu trennen, ziehe ich die in meiner Gesamtrechnung mal ab. Bleiben noch etwa tausendfünfhundertvierzig Tage, in denen wir eine ganz nette Zeit miteinander hatten. Gut, um ehrlich zu sein, eine sehr nette Zeit. Und dann war der Ofen aus. Olaf machte mir am 1. Januar dieses Jahres einen Heiratsantrag, verbunden mit dem Wunsch, mich bitte baldmöglichst schwängern zu dürfen. Heiraten wäre ja noch okay gewesen. Aber zum Thema Kinder habe ich nun mal eine sehr eigene Meinung, die Olaf überhaupt nicht versteht. Es ist nicht so, dass wir in den tausendfünfhundertvierzig Tagen davor niemals über dieses Thema gesprochen hätten. Vielmehr hat er meine persönliche Sicht der Dinge schlicht und einfach ignoriert.
    Was das Ganze irgendwie noch dramatischer macht. Er erklärte mir, dass wir jetzt im besten Alter seien und er doch gut verdienen würde. Ich könne ja dann auch wieder arbeiten, das sei heutzutage überhaupt kein Problem mehr. Man beachte das Wort »heutzutage«, das in meinen emanzipierten Ohren klang wie: Weib, wenn du deine häuslichen Pflichten ordnungsgemäß erledigt hast, darfst du zum Spaß auch ein wenig jobben gehen.
    Arbeiten ist für mich aber eine ernste Sache. Ich sah mich schon bei Aldi an der Kasse sitzen, nachdem ich dreißig Hemden gebügelt und Olaf junior versorgt hatte (in meiner Horrorvision trug ich dabei eine geblümte Kittelschürze).
    Diese eigentlich so emotionale Sache – den Heiratsantrag, für den manche Männer auf die Knie gingen – hatte Olaf auf seinem Bürostuhl sitzend durchgeführt. Ich sage absichtlich »durchgeführt«, denn entsprechend nüchtern lief das Ganze ab. Freundlicherweise hatte er sich wenigstens zu mir umgedreht, nur um sich kurz darauf wieder dem Bildschirm zuzuwenden. Das Gespräch war beendet.
    Logisch. Für ihn war das alles ein klarer und gut durchstrukturierter Plan, und meine Rolle dabei war die der Produktionsleiterin der gewünschten Reproduktionsergebnisse, die ganz gönnerhaft, bei Bedarf, auch einen kleinen Halbzeitjob ihr eigen nennen durfte.
    Das entsprach nun so gar nicht meinem Lebensplan, also brüllte ich nach Leibeskräften seinen über den Schreibtisch gebeugten Rücken an: »Ich mag aber keine Kinder! Und ich habe Pläne für meine berufliche Zukunft!«
    Daraufhin drehte er sich mit einem eleganten Schwung wieder zu mir um, klimperte mit den Wimpern und sagte völlig entspannt mit einem leichten Lächeln auf den
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