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Nibelungen 06 - Die Hexenkönigin

Titel: Nibelungen 06 - Die Hexenkönigin
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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Schnell genug, um der Bewegung mit bloßem Auge folgen zu können.
    »Es hört nicht auf«, flüsterte Etzel beklommen.
    Kriemhild war plötzlich sehr kalt. Wieder wurde ihr bewußt, daß sie längst jedes einzelne von Berenikes Worten für bare Münze nahm. Ihr eigener Glaube an Jodokus’ Götter vereinigte sich mit dem der anderen, und gemeinsam machten sie die Mächte dort draußen mit jedem Atemzug stärker, zorniger, furchterregender.
    »Es ist das Spiel«, raunte Jodokus kaum verständlich. »Niemand bricht ein Spiel so kurz vor dem Ende ab, egal, was geschieht. Sie drängen auf eine Entscheidung.«
    Keiner widersprach ihm. Nur Etzel fragte: »Was wird geschehen?«
    Jodokus versuchte, die Schultern zu heben, doch der Klammergriff seines Bewachers hielt ihn davon ab. »Ich weiß es nicht«, sagte er matt.
    Kriemhild schaute zurück in den Hof. Die Hunnen standen stocksteif, keiner wagte sich zu rühren. Sogar der Priester blickte starr zu ihnen empor. Seine Lippen bewegten sich im lautlosen Gebet.
    Und noch etwas sah sie. Eine Bewegung am Rand des Platzes, im Schatten eines Gebäudes, jenseits einer Ecke. Sie sah einen Umriß, eine Gestalt. Dann einen Wink.
    »Etzel«, sagte sie und versuchte, gefaßt zu klingen. »Ich muß mit Euch sprechen. Unter vier Augen.«
    Der Prinz blickte sie fragend an, doch er wirkte nicht mißtrauisch, nur ein wenig erstaunt. Sein Antlitz war leichenblaß, so wie die Gesichter aller anderen auch. Sie würden noch eine Weile brauchen, um gänzlich zu erfassen, was auf sie zukam. Falls ihnen so viel Zeit überhaupt noch blieb.
    Etzel nickte ihr kurz zu und stieg dann mit ihr die Stufen zum Hof hinunter. Im Vorbeigehen gab er Jodokus’ Bewacher Befehl, den Sänger loszulassen. Die beiden anderen, der zweite Wachtposten und jener, der etwas im Nebel gesehen zu haben glaubte, folgten ihnen die Treppe hinab, schlossen sich unten den übrigen Männern an. Jodokus blieb mit einem Krieger auf dem Wehrgang zurück, und beide blickten jetzt gleichermaßen angstvoll über die Zinnen hinweg in den aufsteigenden Nebel.
    Der Priester wollte Kriemhild und Etzel folgen, doch der Prinz gab ihm mit einer Geste zu verstehen, daß er mit Kriemhild allein sein wollte. In die Hunnenkrieger kam derweil Bewegung, als mehrere von ihnen nach ihren Waffen griffen. Sie begannen, sich um den Priester zu scharen, so daß dieser den Prinz und die Prinzessin schnell aus den Augen verlor.
    Nach wenigen Schritten blieb Kriemhild im Schatten stehen.
    »Was denkt Ihr«, fragte sie, »wie hoch ist wohl das Lösegeld für das Kind eines Königs.«
    Er schüttelte verärgert den Kopf. »Vergeßt das Lösegeld. Ich glaube, wir haben andere Sorgen als den Wert Eures Kopfes.«
    »Ihr mißversteht mich«, entgegnete sie mit schmalem Lächeln, »es geht nicht um meinen Kopf.«
    Hagen löste sich aus seinem Versteck jenseits der Hauskehre, ein blitzschneller Schemen, der lautlos heranschoß, eine behandschuhte Pranke von hinten auf den Mund des Prinzen preßte und den anderen Arm um seine Brust legte. Nur Herzschläge später waren beide hinter dem Gebäude verschwunden. Kriemhild blickte sich sichernd zum Hof hin um, dann eilte sie hinterher.
    Als sie um die Ecke bog, war Etzel bereits ohne Bewußtsein.
    »Ist er –«
    »Nein«, entgegnete Hagen im Flüsterton, »natürlich nicht.«
    Kriemhild überspielte ihre Erleichterung und fragte leise: »Ich nehme an, du hast einen Plan.«
    »Der Nebel zieht bereits über den Hochweg. Wir müssen uns beeilen, wenn wir noch rechtzeitig von hier verschwinden wollen.«
    »Wo ist der Junge?«
    Er schüttelte finster den Kopf. »Vergiß den Jungen. Wir müssen dein Leben retten.«
    Sie sah ihn entgeistert an. »Das ist doch nicht dein Ernst, oder?«
    »Der Junge ist nicht mehr wichtig. Es ist zu spät.«
    Kriemhild stand fassungslos da und bebte vor Wut. »Du hast dieses Kind nur mitgenommen, um es an meiner Stelle zu opfern! So ist es doch, nicht wahr? Du wolltest mich befreien, warst aber nicht sicher, ob Berenike mit ihrer Prophezeiung nicht doch recht hatte. Dein Plan war, statt meiner den kleinen Jorin zu töten!«
    Hagens Blick verriet keine Spur von Scham oder Reue. »Wenn du weiter so herumschreist, werden sie uns entdecken.«
    »Das macht wohl kaum noch einen Unterschied!«
    »Wir müssen zum Tor«, sagte er eindringlich. »Noch können wir die Burg über den Hochweg verlassen. Wenn er erst völlig im Nebel untergegangen ist, dann –«
    »Nicht ohne Jorin!« sagte sie fest. »Und
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