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Nibelungen 04 - Das Nachtvolk

Titel: Nibelungen 04 - Das Nachtvolk
Autoren: Bernhard Hennen
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fast im Schlamm aus. Torkelnd gewann er sein Gleichgewicht. Irgen d wo hinter ihm lachte jemand. Wütend biß der Knecht die Zähne zusammen. Er war bei diesem Schauspiel stets der Dumme.
    »Nun, versuchst du etwa, mir davonzulaufen?« Das war das Stichwort für den nächsten Angriff. Golo wußte, daß der Spielmann jetzt stumm bis sechs zählen würde, um dann he r umzuschnellen. Mit ein paar schnellen Schritten umrundete er den blinden Ritter und gelangte so in dessen Rücken. Auch er zählte leise mit. Bei sechs sprang er vor und holte zu einem mörderischen Schlag aus, der auf den Kopf des Spielmanns zielte.
    »Hinter Euch, Herr Ritter«, schrie das Mädchen, das Volker sein Tuch gegeben hatte. Der Spielmann fuhr herum und riß sein Schwert hoch. Mit lautem Klirren schlugen die beiden Klingen aufeinander. Nun ging der Ritter zum Angriff über. Mit ein paar wütenden Schlägen trieb er Golo zurück und prel l te dem Knecht zum Schluß mit einer gewandten Drehung die Waffe aus der Hand. Dann zielte er mit der Schwertspitze auf die Brust des Dieners und löste mit der Linken die Augenbinde.
    »Nicht einmal so seid Ihr ein würdiger Gegner! Wollt Ihr mich um Gnade bitten?«
    »Ja, Herr!« Mit flehend erhobenen Armen kniete Golo nieder und achtete darauf, sich nicht allzu schmutzig zu machen. »O mächtigster aller Schwertkämpfer, jeder weiß, daß Ihr der edelste Ritter unter Gottes Sonne seid und Eure Gnade nur von Eurer … «
    »Übertreib nicht so!« zischte der Spielmann leise. »Du ve r dirbst noch den ganzen Auftritt.« Dann fuhr er lauter fort: »Ich werde dir dein Leben schenken, Golo, doch um die Kränkung meiner Ehre zu sühnen, sollst du mir ein Jahr und einen Tag lang als Diener folgen.«
    »Ich werde alles tun, was Ihr wollt, Schwertmeister!«

    Volker war in allerbester Stimmung, als er mit seinem Waffe n rock über dem Arm in den Stall trat. Golo war gerade damit beschäftigt, Lanzenbrecher zu striegeln. Er zog ein Gesicht, als hätte man ihn gezwungen, faule Eier zu frühstücken.
    »Nun, mein Freund! Was ist los mit dir? Man hat uns doch freundlich aufgenommen. Der Wirt hat eine gute Küche, und sein Gastzimmer müssen wir offenbar nicht mit Flöhen teilen … Was will man mehr?«
    »Ich finde, daß es nicht nötig war, schon wieder dieses Spe k takel aufzuführen, Herr Volker. Ihr seid ein Ritter, ein Mann von Stand! So ein Schauspiel ist unter Eurer Würde!«
    »Es ist jetzt drei oder vier Tage her, daß wir unser kleines Spektakel zum letzten Mal gezeigt haben. Unser Ruf hat sich bestimmt noch nicht bis hierher herumgesprochen. Es war an der Zeit, etwas zu tun. Der Winter ist vorbei, und die Vorräte sind überall fast aufgebraucht. Es ist eine Zeit, in der Bauern auf dumme Gedanken kommen können. Mit dem Gold, das man für unsere Waffen und Pferde bekommen kann, könnte man ein Dorf wie dieses hier ein ganzes Jahr lang durchfüttern. Die Versuchung wäre groß, uns einen Hinterhalt zu legen. Wir sind zwei Fremde, die niemand vermissen wird. Nach dem Auftritt vorhin wird sich die Geschichte um meine Schwer t kunst wie ein Lauffeuer verbreiten, und mit jedem Bauern, der sie weitererzählt, wird sie noch ein wenig eindrucksvoller we r den. Das heißt, wir können in den nächsten Tagen wieder s i cher reisen. Jeder Strauchdieb wird einen weiten Bogen um uns machen.«
    »Aber Ihr seid doch ein Ritter, Herr! Was könnten Euch ein paar schlechtbewaffnete Bauern schon antun?«
    Volker lachte bitter. »Auch mich vermag ein Pfeil im Hals o der ein Speer, der mich hinterrücks trifft, zu töten. Außerdem macht es mir keine Freude, ein paar Hungerleider abzuschlac h ten, die dumm genug sind, um mich mit Knüppeln und Do l chen zu überfallen. Ich habe meine Waffenkunst nicht erlernt, um mich mit solchem Pack zu messen.« Der Spielmann legte den Waffenrock über ein leeres Faß. »Sieh zu, daß du den Rock säuberst. Irgendwie habe ich mich während des Kampfes mit Schlamm besudelt.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe mich diesmal wirklich in acht genommen.«
    »Gewiß«, knurrte Golo leise.
    Volker seufzte. Es war wirklich nicht leicht, die ständige schlechte Laune seines Reisegefährten zu ertragen. Golo sollte froh und dankbar sein! Er war der Sohn eines Leibeigenen. Hä t te er ihn nicht als seinen Knecht auserwählt, wäre er ein Leben lang hinter einem Pflug hergelaufen. Er hätte niemals fremde Länder zu sehen bekommen und Abenteuer an der Seite eines Ritters erlebt. Es gab genug junge
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